Es stand mal wieder ein seltenes freies Wochenende vor der
Tür und das Wetter wußte nichts davon. Ein massives Tiefdruckgebiet hatte sich
in Deutschland festgesetzt wie eine fette Kröte und drängte langsam aber sicher
in die Alpen. Mit jedem Tag den das Wochenende näher rückte mussten mehr
potentielle Ziele verworfen werden, bis wieder einmal nur das Tessin übrig
blieb.
Diese kleine Exklave wo das Wetter sich wie durch Zauberei
ändert wenn man aus dem Tunnel das Gotthard bzw. St Bernadino kommt. So war es
auch dieses mal wieder. Die ganze Zeit nur Dauerregen und Grau in Grau.
Es war mitten in der
Nacht, als wir im Tessin ankamen doch sahen
wir vereinzelte Sterne blinzeln. Als wenig später der Wecker klingelte hatten
sich die Sterne vermehrt und es war ein wolkenfreier Himmel mit einem schönen
abnehmenden Mond zu sehen. Trotz wenig Schlaf packten wir bereits andächtig im
Dunklen die Sachen. Die Entscheidung des Zieles fiel im letzten Moment und war
dennoch nicht so spontan wie man denkt. Bereits seit vielen Jahren spielten wir
mit dem Gedanken diese Route zu probieren aber verwarfen dies immer wieder aus
verschiedenen Gründen. Zum einen konnte es in diese Wand sehr heiß werden. Da
erschienen uns die 20 Grad nach dem Wetterbericht genau richtig. Zum anderen,
weil die 11 Seillängen so moralisch anspruchsvoll zu Klettern waren, dass dies ohne
Kenntnis der Route nicht wirklich in einem Tag zu Klettern sein. Bei so einer
Kletterei braucht man sehr lange um sich schleichend die leichteste Linie in
dem Sicherungsarmen Gelände zu suchen. Da kommt man nicht wie üblich auf ½ h
pro Seillänge sondern eher auf 2h im Durchschnitt. Anders sieht es aus, wenn
man die Route kennt, aber für zweimal einsteigen reichte die Zeit nicht aus,
denn wegen der Rückfahrt hatten wir quasi nur 1,5 Tage Zeit.
1. Länge, da hatten wir noch alles vor uns. |
3. Sl, Glatt und wenig sicherung |
Mit „Non e un paese per Vecchi“ oder im englischen „No
country for old men“ haben Luca Auguadi und Matteo Della Bordella in der 430m
hohe Wand eine echte Granate eingebohrt. Die Ironie des ganzen ist das man
nicht wirklich von eingebohrt reden kann den 20 Haken (ohne Stände sind auf die
Wandhöhe und 9 mal französische 7er Längen sind alles andere als viel. Zwar war das ganze
nicht wirklich gefährlich denn es gab kaum Bänder auf welche man stürzen
konnte, aber die Bohrhaken waren permanent so weit nach oben geschafft worden,
das auch das 7b+/7c obligatorisch (zwingend zwischen den Haken zu klettern)
durchaus gerechtfertigt ist. Allein schon die Tatsache dieser obligatorischen
Schwierigkeit hing wie eine dunkele Wolke in unserem Hinterkopf.
Issy in der 4. Sl |
Etwas unschön ist es sich die einzigen natürlichen Strukturen mit Gewächsen zu teilen. Auch das Gras ist hier sehr stachelig, bietet aber dafür griffig. |
Also wieder zurück zum Sachen packen. Auf Grund des zu
erwartenden Anspruchs entschieden wir uns für etwas Ungewöhnliches. Um
überhaupt irgend eine Chance zu haben den Ausstieg zu erreichen entschieden wir
uns das Portaledge mit in die Wand zu nehmen um in der Route zu Schlafen. Bei
so einer kleinen Wand eher ungewöhnlich habe ich das Portalege sonst nur am El
Capitan mit seinen 1000m genutzt. Dies bedeutete zwar schweres Gepäck, welches
wir über die schier endlosen steilen Grashänge schleppen mussten, aber das ist
ja alles nur Training. Trotz aufstehen im Dunkeln war es erst um 9:00 Uhr als
wir einstigen und so verschaffte uns das Portaledge wenigstens die Sicherheit
den ganzen Tag Zeit zu haben und klettern zu können bis es dunkel wurde.
Der Gneis an der Linesco Wall ist erstaunlich Strukturlos,
was vielleicht auch ein Grund ist, warum es in dieser gigantischen Wand nur 2
Routen gibt. Die Linienführung ist alles andere als gerade und mehr als einmal
hatte man trotz sehr langer Expresschlingen so viel Seilzug das man nicht mehr
weiter kam. Es ist unter anderem auch ein Kopfproblem eine 1m lange
Expressschlinge in einen der wenigen Sicherungspunkte einzuhängen, wenn die
nächste Sicherung in weiter Ferne liegt. Gegen 10:00 Uhr kam leider schon die
Sonne in die Wand und es wurde sehr warm. An den Händen ließ sich die Wärme ja
noch aushalten obwohl die Wand binnen weniger Stunden heiß wie eine Herdplatte
wurde. Doch das schlimmste waren die Füße in den Kletterschuhen. Diese schmerzten
schon in der 2. Seillänge, denn ich
hatte einen fatalen Fehler begangen bei der Wahl der Schuhe begangen..
Wer Kletterer kennt weiß, das die Wahl des richtigen
Kletterschuhs für den Erfolg entscheidend ist.. So ist es üblicherweise eine
zeitaufwendige Angelegenheit vor einer langen Route die richtigen Schuhe
auszuwählen. Ich hatte mich für einen neuen Schuh von 5.10 (Pinky) entschieden,
weil der Vorgänger ( Verde) nicht mehr hergestellt wird und genau dies war
fatal. Selbst auf großen Leisten konnte ich nur mit großer Mühen stehen, den
der Schuh ist weich wie Butter. Also gab es nur die Möglichkeit den sehr engen
Schuh anzuziehen, welchen ich ausschließlich für den Durchstieg der schweren Längen
mitgenommen hatte und in welchen man es im Schatten gerade mal 30 Minuten
aushält bevor die Füße absterben.
Nun stellt man sich
vor man steht auf kleinen Tritten auf einer Reibungsplatte endlos weit weg von
der letzten Sicherung und sucht nach einem Weiterweg. Deshalb muste ich vorher
die Entscheidung Treffen, ob mir nach wenigen Minuten die Füße absterben
sollten weil der Schuh zu eng ist oder aber ob ich permanent das Gefühl haben
wollte ich stehe nicht und das weit überm Haken. Auf diese Art und Weise quälte
ich mich einen ganzen Tag lang und meine Moral war am Abend voll im Eimer.
Entlich wieder in die Kletterschuhe.. |
.. das tut sogar beim hinschauen weh. Aber wenigstens ist es schön warm. |
Mit dem Dunkel werden erreichten wir den 6. Stand also etwas
mehr als die Hälfte der Route. Wir hatten uns beide ausgezeichnet gegruselt und
waren zum Teil etwas schmutzig denn die Route war etwas zugewachsen und musste
beim Klettern gereinigt werden. Zu den anhänglichen Gewächsen dieser Wand sind
neben Flechten, ein sehr stacheliges Gras und vor allem Rosensträucher zu
nennen. Diese bissen sich an uns fest und wollten uns am Weiterklettern
hindern. Auch an unserem Schlafplatz gab es einige davon und so pickste es mal
hier mal dort.
Als die Sonne aus der Wand war und genossen wir die Kühle
und sahen uns nach einer Schlafmöglichkeit um. Da der Stand zum Aufhängen des
Portaledges nicht geeignet war, nutzten wir den 1. BH der Nachbarroute die
unseren Weg hier kreuzte. Dadurch war der Haken 5m über uns und damit wir neben
dem Band hingen musste dieser verlängert werden. Das hatte zur Folge, dass
unsere Schlafgelegenheit bei jeder Bewegung kippelte und verrutschte. Ich habe schon
viele male im Portaledges gesessen aber dieses mal war es schlimm wie leicht es
kippelte und verrutschte. Es kam sogar so weit das ich die Nacht davon träumte
dass uns unsere Schlafgelegenheit abwirft.
Es wurde jedenfalls eine unruhige Nach obwohl die Temperaturen
angenehm und der Sternenhimmel und das Ambiente grandios waren. Vielleicht
hatten meine Nerven den Tag auch nicht
gut überstanden und so fühlte ich mich auch am folgenden Morgen.
Es sah nicht gut aus für uns am Morgen des nächsten Tages obwohl
wir wieder im Dunklen unser Morgenmahl aßen. Vor uns lagen noch 3 x 7c Längen eine 7b und eine 6b und da wir
noch 9h Rückreise hatten auch nicht so viel Zeit. Der Start war schleppend und
wegen einer versteckten Leiste die sich nicht einmal erahnen ließ dauerte diese
Länge schon viel zu lange. Die eigentliche Heldenleistung erbrachte Issy in der
ersten 7c Länge. Eine glatte Verschneidung war über einen mutigen Quergang
mittels einem zugewachsenen Riß und schlechter Absicherung zu erreichen. Als
Issy sich endlich zum Haken in der Verschneidung hoch gekämpft hatte atmete ich
erst mal auf, denn bis zum Stand konnte er jetzt ja nicht mehr stürzen. Was
dann folgte, war so beeindruckend, dass ich selbst im Nachstieg Angst hatte.
Weite Züge in einer Verschneidung mit flachen Griffen. Issy zögerte kaum und
schleuderte sich hoch. Er blieb immer gerade so hängen und presste sich komisch
in die Verschneidung. Im Nachstieg erfuhr ich auch warum dem so war. Einmal in
der Verschneidung war ein weiter Sturz die einzige Möglichkeit des Rückzuges
und Ruhepositionen gab es nicht. Die einzigste Möglichkeit nicht zu Stürzen lag
darin die Flucht nach vorne zu ergreifen. Doch es gab kein rettendes Ziel was
man erreichen konnte, keinen rettenden Zielgriff welchen man anvisieren kann.
Es blieb schwer und man musste zu 100 % wollen. An dieser Stelle war der
Wegname (Nicht für alte Leute) Programm und ich fühlte mich auf einmal sehr
alt.
Durchaus nervlich vorbelastet und vom Anblick der grünen
grifflosen Platte eingeschüchtert beging ich den Fehler meine Länge Issy zu
überlassen denn der Quergang ging gut und die Crux war am Bohrhaken. Allerdings
war die Absicherung für den Nachstieg eher schlecht denn ich schoss ein großes
Pendel als mir in der Crux der Fuß vom Tritt rutschte.
7c Reibung mit starken Algenbewuchs |
Es folgte noch ein riesiger Überhang welcher sehr
anstrengend war und das wir um 15 Uhr am Ausstieg standen war einzig Issy zu
verdanken der zielstrebig und bereitwillig vorstieg, weil meine Nerven nicht
mehr die Besten waren.
Was folgte waren nicht etwa eine Gipfelrast und Entspannung
sondern Abseilen mit dem Portaledge und dem Haulbag, ein 1,5h Dschungelmarsch
über die steilen Wiesen welche ohne Fixseile unpassierbar wären und 9h
Autofahrt.
Wie man also sieht, mal wieder ein erlebnisreiches
Wochenende mit Abenteuerkletterei die einem das Fürchten lehren kann. Wie sich
herrausstelte hatten wir auch noch die 2. Begehung. Ich bin mal gespannt, wer
noch diesen Weg Klettern wird.
Die Linesco Wall im Nachmittagslicht des Abstieges |
Issy beim Abstieg |