Nun stehe ich in einer 800 m hohen Wand in Madagaskar und suche zitternd nach dem nächsten Griff. Eigentlich kamen in den Mulden bisher immer ein paar Griffe. Wenn nicht die Erst beste dann die Nächste. Doch auch die ist leider nichts, es ist alles glatt. Ich werde immer unruhiger und das nicht ohne Grund. Wenn ich jetzt falle, dann habe ich nur ein geborgtes 40 m altes Halbseil was den Sturz hält sonst nichts. Verzweifelt setze ich die Füße höher und trete die Flucht nach vorne an. Bisher hat dies immer funktioniert aber es kommt nichts zum Festhalten. Das Grasbüschel über mir ist zum greifen nah als plötzlich der Fuß wegrutscht. Ich habe mich immer gefragt wie wohl ein Sturz mit der Bohrmaschine auf dem Rücken ist, gleich würde ich es wissen. Die Zeit läuft auf einmal langsamer und tatsächlich die Bohrmaschiee löst sich leicht von meinem Rücken und begleitete mich auf meinem Weg ins Tal. Lange passierte nichts, eigentlich viel zu lange. Vielleicht war doch keine so gute Idee unsere Erstbegehung mit dem alten Halbseil anzufangen? Wie kam ich eigentlich in diese Lage?
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Links von dem Pfeiler mit der Kugel oben drauf unmittelbar links der Kante, dieser Streifen war das Ziel unserer Reise. Ob dieser Streifen überhaupt kletterbar ist wussten wir nicht. |
Wir wollten nach Madagaskar fliegen um einer 600 m Wand auf einer so direkten Linie Erstbegehen das wir mehr als nur etwas Glück benötigten.
Wie geplant ging es von Frankfurt über Paris direkt nach Antananarivo. Dieses mal wollte ich den Zwischenstopp in Kenia vermeiden, weil die Hälfte von unserem Gepäck das letzte Mal dort vergessen wurde. Leider nützte uns dies wenig, denn in Paris blieb ein Teil unseres Gepäcks zurück. Was genau fehlte, konnten wir nicht sagen, denn um das Risiko des Totalschadens, so gering wie möglich zu halten, wurde das Material gleichmäßig in denn 4 Säcken verteilt. Im besten Fall konnte wir so selbst beim Verlust von 2 Gepäckstücken noch was aus dem Urlaub machen. Es war bereits nach Mitternacht, als ich mit der Dame am Gepäckschalter, eine Lösung in gebrochenem Französisch gefunden hatte. Air France würde angeblich das Gepäck bis zu einem Hotel nachliefert das klingt doch erst mal gut. Leider ging das bei uns nicht, denn die letzten 20 km gab es nicht einmal eine Strasse. Ich hatte jedoch die Telefonnummer von Patrick angegeben, der das Camp Mada betreibt und dafür gesorgt, dass er mein Gepäck entgegennehmen darf. Mal sehen ob das klappt. Im Hotel hatten wir nach kurzer Inventur folgendes Material dabei:
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Warten auf das Gepäck. Wenn auf dem Heimflug ein Sack zu spät kommt ist das nicht so schlimm aber auf dem Hinflug kann dies das aus für den Urlaub sein. |
Eine 70 m Materialleine Durchmesser 6 mm, 80 m Statikseil, einen Klettergurt, 9 Expressschlingen, ein Abseilgerät, einige Karabiner, jeder ein paar Kletterschuhe sowie unsere Ausrüstung zum Camping und zum Erstbegehen.
Das wichtigste was fehlte war also ein Seil zum Vorsteigen sowie das Rollbrett. Also konnten wir es riskieren loszufahren, ohne mehrere Tage und ggf. vergeblich auf unser Gepäck zu warten. Notfalls könnte man auch mit der Materialschnur klettern weil diese angeblich 2 Normstürze hält. Diese Vorstellung war mir allerdings so zu wieder, dass ich Alpträume davon bekam. Selbst wenn man diese doppelt nehmen würde würde ich mich gruseln.
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Chris-Jan auf der mehr oder weniger entspannten Fahrt ins Camp. |
Nach 14h Fahrt kamen wir im Camp an. Am Morgen sortierten wir das Material und bevor es zum Klettern ging fragte ich im nächstgelegenen Dorf ob eventuell irgend ein altes ausgedientes Kletterseil vorhanden sei. Irgendwann wurde ich fündig wenn auch nur ein altes von Kletterern ausgesondertes 40 m Halbseil.
So ging es Mittags zum Einklettern an die nur 250 m hohen Lemur-Wall, wo wir erst einmal das 8 mm Halbseil und die 6 mm Materialschnur als Doppelseil verwendeten. Da die Längen meist 50 m lang waren mußten wir einige Meter simultan klettern. Als 2. Gurt diente die Bandschlinge die an der Bohrmaschine als Trageriehmen gedacht war. Zum Abseilen musste ich etwas improvisieren und baute mir mit einigen Karabinern eine Stichbrems. Das war zwar nicht toll aber OK. Wir genossen die Kletterei und fühlten uns bereit für mehr.
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Erster Tag Klettern mit improvisierten Gurt und dem geborgten Halbseil. |
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Bei mir fehlte dagegen das Abseilgerät aber auch da konnten wir improvisieren. |
Da wir nicht wussten wie lang wir noch mit dem wenigen Equipment auskommen mussten wollten wir die Erstbegehung lieber eher anfangen als später. Aus diesem und andern Gründen klingelte der Wecker noch mitten in der Nacht. Als wir mit 200 Bohrhaken und anderen schwerem Gepäck beladen zum Einstieg marschierten, schlief noch alles. Die Rucksäcke waren erdrückend schwer, jedoch ohne die brennende Sonne angenehmer zu tragen. Wir warteten beide schon gierig darauf unsere Route live zu sehen und nach und nach das Neuland für uns zu erobern. Die Linie war ein 600 m langer brauner Wasserstreifen eine von der Natur vorgegebene Linie. Ob diese Schnurgerade genug Griffe aufweisen würde oder ob stellenweise keine kletterbaren Strukturen vorhanden sind wussten wir nicht. Doch genau das war der Reiz des Neuen.
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Der Sandsteinrambo im Granit. Hier mit geladener Bohrmaschine und 200 Haken. Die Haken mußte der Nachsteiger beim Jümarn im Rucksack mitnehmen bis unser Rollbrett endlich ankamm. |
Beim ersten Sonnenstrahl stieg ich in die Wand ein. Damit es schneller ging kletterte ich mit umgehängter Bohrmaschine am einlitzigen Halbseil. Da dieses nur 40 m lang war hängten wir auf den ersten 20 m immer nur den letzten gebohrten Haken ein damit wir auch 60 m Seillängen einbohren konnten. Das Halbseil verlängerten wir dann mit dem Statikseil was ja 80 m lang war. Da der Seilzweite mit allen Bohrhaken und Material im Rucksack aus Mangel am Rollbrett hinterherjümart, war der Knoten auch egal. So stiegen Chris-Jan und ich abwechselnd Länge um Länge vor und bohrten meist freistehend oder aus der Kletterstellung. Da es bisher nicht zu schwer war kamen wir gut und ohne zu stürzen voran. Etwa 2 Stunden brauchten wir für jede neue Länge. Die Freude über die tollen Strukturen waren groß und jeder von uns zeigte dies auf seine Art oder nach seinem Namen. Bei der 3. Länge war ich wieder an der Reihe und ich musste beireits einmal wild schnappen um weiter zu kommen. Noch wenige Meter trennten mich von einem dieser Grasbüschel die immer wieder in der Wand hingen und auf welchen wir gerne unsere Standplätz bohrten. Chris-Jan nannte diese liebevoll Pittys nach dem frechen Kobold Pittiplatsch, weil diese wie dessen Haare aussahen. Kurz vor diesem Grasbüschel trat ich die Flucht nach vorne an und flog aus der Wand. Die Bohrmaschine löste sich vom Rücken und ich wartete darauf, dass das Seil sich straffte. Es passierte lange nichts, viel zu lange. Erst als sich das Seil unendlich langsam straffte atmete ich auf. Nach Pit Schubert dem ehemaligen Sicherheitspabst des DAV reißt ein Seil ja nur wenn es über eine scharfe Kante läuft. Doch je länger der Fall dauert um so mehr Zeit hat man zum Nachdenken. Als ich mich vom Schreck erholt hatte, wurde mir auch klar warum dies so war, denn Halbseile haben meist eine größere Dehnung. Ich gruselte mich immer noch und machte deshalb lieber einen Haken mehr. Als ich dann dem Pitti aufs Haupt stieg und der Stand fertig war, wanderte mein Blick nach oben. Es war steil und es sah sehr glatt aus. Ob das zu klettern geht?
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Immer der Nase nach und das Ziel der Headwall vor Auge. 4.Sl |
Darüber thronte noch die überhängende Headwall, ein weiteres Fragezeichen? Zwei weitere Seillängen eroberten wir an diesem Tag noch. Damit hatten wir ein Drittel der Wand bereits geklettert. Vom tollen Fels schwärmend und voller Freude ging es zurück zum Camp. Dort freuten wir uns noch mehr, dass unser Gepäck endlich wieder vollständig war. Damit waren wir nun endlich bereit dem Erdboden für einige Tage lebewohl zu sagen.
Nach einem Ruhetag ging es wieder mitten in der Nacht los. Die Rucksäcke waren diesmal nahe der Schmerzgrenze. Mit fast 30 l Wasser, Essen für 5 Tage und Schlafzeug zusätzlich zum Klettermaterial, war dies auch kein Wunder. Gegen 9:30 Uhr hatten wir unsere alte Höchstmarke erreicht und wir drangen weiter vor ins Neuland. Der beste Spruch des Tages kam von Chris-Jan der nach 35 m Vorstieg meinte, in 15 m wäre er am Fuße der Headwall. Das irritierte mich etwas, aber als es nach weiteren 30 m immer noch 15 m waren, zeigte dies wie sehr man sich in einer so großen Wand täuschen kann. Im Nachhinein hatten wir in dieser Länge noch einen optionalen Zwischenstand gebohrt, damit auch Seilschaften mit 2 x 60 m Seilen die Route klettern und abseilen könnten. Ich war nun an der Reihe, den ersten Teil der Headwall zu probieren. Nach 15 m wurde es überhängend und auch die Griffe waren klein. Ein Griff oder ein Tritt weniger und unsere Route wäre hier nicht kletterbar. Nach einigen Stürzen und dem Ablegen der Bohrmaschine zum späteren hochziehen am Materialseil war ich etwas leichter und dadurch einen Haken weiter. Zwei Züge am Haken mußte ich aus Zeitgründen weglassen, diese waren aber vorstellbar. Es blieb schwer und ich musste mich mächtig ins Zeug legen dranzubleiben. Weiter führte ich die Sturzstatistik an und mehr als einmal bohrte ich die Haken aus wackeligen Skyhooks in Hüfthöhe damit diese fürs Klettern perfekt sitzen. Unser Anspruch an unsere Route war, dass die Haken so gut wie möglich in einer Linie stecken und sich optimal vor den schweren Stellen einhängen ließen. Um dies zu gewährleisten mussten auch mal Haken weiter unten als nötig gebohrt werden. Wir wollen ja das zukünftige Kletterer diesen Weg als die Königsdisziplin beim Erstbegehen großer Wände sehen. Auch wenn wir uns selber damit die Möglichkeit nahmen mit diesem "theoretisch 1 m höher sitzenden Haken" mehr Neuland mit weniger Haken zu erschließen. Dies war gegen unsere Prinzipien. Auch ein im Nachhinein versetzen des Hakens zur Verbesserung der Seilführung wo dies nicht mittels langer Expressschlingen realisiert werden konnte, schlossen wir nicht aus und würden dies am Ende beim Abseilen über die Route vornehmen. Es kann ja durchaus mal passieren, das man bei 600 m und ca. 200 geplanten Haken einen verkehrt platziert. Die Kletterei blieb Anspruchsvoll, aber der Boulder am Beginn der 100 m Headwall blieb vorerst die Crux. Die Strukturen wurden jetzt zu großen runden Löchern, wo sich auch endlich die Möglichkeit bot, einen Standplatz zu bohren. Auch hier wollten wir Perfektion walten lassen. Was nützt eine Linie die 600 m lang schnurgerade einem Wasserstreifen folgt, wenn die Stände immer kurz oberhalb bzw. kurz unterhalb der logischen Struktur für einen Standplatz liegt. Da man dies beim Erschließen von unten nicht sieht und viele Mulden wie Bänder aussehen wählten wir folgende Strategie: Wenn wir uns nicht sicher waren ob dies der geeignete Ort für den Stand war ließen wir uns zum vorletzten Haken ab und verbanden diese.
Hier war das nicht nötig, denn in der 100 m leicht überhängenden Wand gab es keine Bänder lediglich ein paar Mulden wo man besser stand.
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Der Begin der Headwall zu Greifen nah aber troz der 65 m Länge (6.SL) wurde diese nicht erreicht. |
Obwohl es in weniger als einer Stunde dunkel sein würde, bohrte Chris-Jan noch die ersten 8 BH, in der zukünftigen Crux. Damit wir etwas mehr als 2 SL am heutigen Tag gebohrt hatten. Erst später sollte ich erfahren welche Meisterleistung er beim setzen der Haken vollbracht hatte, denn sie steckten perfekt, jedoch die Stellen für den Skyhook waren wirklich winzig. Am nächsten Tag forderte diese Länge noch einmal 4h schwere Arbeit, wobei er bis auf einmal immer mit Bohrmaschine kletterte. Danach war Chris-Jan verständlicherweise völlig verschlissen. Den Rest des steilen Geländes kämpfte ich mich hoch und führte damit die Sturzstatistik wieder. Die Stellen welche mir am besten im Gedächtnis blieben, war eine Folge von Schnappern in der Mitte des braunen Streifens und der finale Mantler auf die Reibung wo man endlich wieder freihändig steht. Es war dunkel, als wir das Portaledge zum 2. Mal aufbauten und die Bilanz des Tages waren gerade mal 1,5 Sl. Jedoch lag die Headwall und somit das größte Fragezeichen hinter uns.
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8. SL und 2.Länge der Headwall. Anhaltend schwer und ungewöhnlich Steil für Madagaskar. |
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Die 9. SL und der letzte Teil der Headwall waren wieder mein Vorstieg und benötigten auch einige Stunden. Auch diese Länge blieb spannend bis zum Schluß. |
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Die 10. SL und endlich wieder etwas leichter. Da bohrt sich eine Länge wieder entspannt in 2h. Die meisten Haken ließen sich freistehend bohren. |
Am nächsten Tag noch vor dem Mittag waren wir mit den letzten zwei Längen durch und seilten über die Route ab. Da ich unbedingt alle Längen ohne Ruhen durchsteigen wollte, schaute ich mir auf dem Weg talwärts die Längen von Chris-Jan an. Um Kraft und vor allem Haut an den Fingern zu sparen sind wir die Längen des Anderen beim Bohren mit Steigklemmen nachgestiegen. Ich brauchte meine letzte Haut und Kraft, um alle Längen der Headwall auszubouldern. Leider konnte ich 2 m nicht ausbouldern, weil der Stand mit den ganzen Säcken genau in einer schweren Stelle steckte. Idealerweise müsste der Stand ca. 10 m höher, denn dort war endlich ein no-hand-rest. Doch das sollte erst nach dem Durchstieg erfolgen, der zur Zeit noch undenkbar schien. Zudem gingen 3 Züge, in einer meiner Längen, vor Erschöpfung nicht mehr. Ich legte mir hier eine Variante zurecht, und es ging sehr müde gen Tale und zurück ins Camp. Was wir jetzt unbedingt brauchten war ein Ruhetag undbreichlich Eierkuchen.
Da mein Handy leider ohne erkennbaren Grund den Geist aufgab ist der ausführliche Post alleine Chris-Jan zu verdanken der mir sein Handy immer wieder zum Schreiben borgte.
Lalan'i Mpanjaka aka Camino del Rey 8a+ , 11 Sl 600m, (7b ob)
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Topo Lalan'i Mpanjaka (auf deutsch: Königsweg) |
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Topo Lalan'i Mpanjaka (auf deutsch: Königsweg) |
Noch bevor wir uns richtig ausgeruht hatten, ging es nach einem Tag im Tal wieder in die Wand. Eigentlich waren zwei Ruhetage angesetzt, damit sich die Haut ausreichend regenerieren kann, aber einer in der Gruppe war so heiß drauf, wieder in die Wand zu kommen, dass wir nach dem ausgiebigen Frühstück, kurzentschlossen den Aufstieg antraten. Der Fels war von der Sonne so heiß, dass die Finger beim Berühren schmerzten. Es war zudem so schwühl, dass wir uns schwerfällig bewegten. Es ging mit einer kurzen Reibungsstelle für 7a+ gleich in der 1. Länge los bevor es am Ende der 3. wieder 7b wurde. Dabei gab es alle möglichen genialen Strukturen. Egal ob Platten, Mulden, Aufleger oder kurze Querrisse die als rettender Zielgriff in der Wand erschienen. Es folgten 2 schwere und schöne 6c+ und alles fühlte sich von den Bewegungen an wie ein blauer Parcours in Fontainebleau. Ab der 6. Seillänge war nichts mehr leichter als der französische 7. Grad. Chris-Jan hatte hier eine ausgesetzte 65 m 7b+ hingezimmert, die mit weiten Zügen an Leisten und Rippen, einiges vom geneigten Wiederholer abverlangt. Es war mittlerweile schon spät als ich in die erste Headwall-Länge einstieg. Mit den guten Schuhen und bessere Haut gelang die Boulderstelle mit ihren 12-13 schweren Zügen sofort. Auch die Haken steckten perfekt, so das ich zufrieden zum 7. Stand klettern konnte, wo unser Portaledge hing. Kurz bevor es dunkel wurde, war Chris-Jan bei mir, und wir richteten uns gemütlich für die Nacht ein. Da der Vollmond gewichen war, konnten wir den genialen Sternenhimmel mit seiner unendlichen Weite über uns bestaunen. Dazu ausgesetzt in einer steilen Wand zu hängen ist wahrscheinlich meine Vorstellung von Freiheit. Dieses Erlebnis mit Freunden zu teilen, ist für mich das Größte. Vielleicht kann ich dieses Gefühl irgendwann mal mit meinen Kinder teilen, falls sie die Liebe zum Klettern für sich entdecken.
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Endlich wieder in unsere Route. Da es sehr warm war stiegen wir Nachmittags ein, denn die Route war immer den halben Tag im Schatten. |
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Beim Ausboudern der mittlerren und schwersten der 2 Headwall Längen (SL 8) |
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Chris-Jan im Nachstieg bei der 8. Sl. Der Blick ist nicht nur Steil sondern auch geil. |
Am nächsten Tag ging es wegen der Sonne erst Mittags mit dem Klettern los. Bis dahin chillten wir mit Musik auf dem Portaledge und ließen die Gedanken schweifen. Die verbleibenden 100 m Headwall thronten über uns. Auch das Zusammenpacken des Portaledge und das Sortieren des Materials brauchte seine Zeit. Das ist auch gut so, um morgens etwas Bewegung zu bekommen. Ich boulderte die verbleibenden 2 m aus und fand links herum ein Variante die sich gut in die homogene Kletterei einfügte. Nur der Stand musste aus dem Überhang raus, 4 Haken höher auf die Platte. Der Durchstieg lief wie am Schnürchen. Die weiten Leisten und Schulterzüge saßen und waren selbst mit meinen 1,68 m noch machbar. Es blieb aber die ganzen 60 m schwer und zum Teil stützte ich die Leisten durch um die Füße hochzubekommen. An der Stelle wo Chris-Jan vor Erschöpfung und etwas Verzweiflung beim Erstbegehen den Stand bohrte wurde es noch mal schwer ein unangenehmer Dynamo und 3 sehr weite Züge führten in flacheres Gelände und weiter oben zum logischen Stand den wir später hochsetzten. Nur noch eine schwere Länge und wir hatte die Headwall hinter uns. Die 9. Länge war etwas kürzer aber mit sehr vielen weiten Zügen im grauen Streifen gespickt. Es gab hier mehr als eine Stelle, wo ein Griff weniger das Aus für diese gerade Linie gewesen wäre. Zum Abschluß gab es noch einen Mantler auf die Reibung und 20 m leichte Kletterei. Juhu es war geschaft. Etwas zittrig vor Anspannung konnte ich den letzten Teil der Headwall durchsteigen. Auch Chris-Jan stöhnte mehrmals bei den weiten Zügen auf, stieg aber sofort durch. Es folgten noch zwei technische 7 er mit kleinen Überhängen und tollen Wasserrillen. Hier oben fand unsere Linie, der Graue Streifen, seinen Anfang und unsere Route ihr Ende. Als Respekt zur Sprache der Einheimischen wurde der Routenname in Madagassi vergeben. Wir machten uns ans Abseilen obwohl der kürzeste Weg direkt zum Einstieg der freie Fall wäre. Wie so oft beim Erstbegehen fällt mal etwas zu Tale. Egal was und wo uns bei diesem Königsweg etwas hinunter gefallen ist, es lag immer genau am Einstieg.
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Ursprung des Wasserstreifens und letzte und 11. Länge unserer Route. Tolle Wasserrillen zum Schluß. |
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Unsere Symbolische Interpretation für den Königsweg. |
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Das Kreuz des Südens geht am frühen Abend hinter dem Tsaranoro unter. |
Nach unserer Erstbegehung war die Luft erst einmal raus. Ein klarer Fall von Ziel erreicht mit anschließendem Sommerloch. Wir machte erst mal 2 Ruhetage wobei dies der Haut auf unseren Fingern sehr gut tat. Wir wollten unbedingt noch ein paar Routen klettern, nicht zuletzt um sowohl die Qualität als auch die Schwierigkeit mit unserem Königsweg zu vergleichen. Deshalb probierten wir einen Tag lang Mora Mora und kletterten bis in die Crux. Bereits vor der Schlüssellänge mussten wir feststellen das gelegentlich 2 cm tiefe Bohrlöcher zwischen den Haken war. In der Schlüssellänge häufte sich das und dazu kam, dass die Haken nicht dort steckten wo man lang klettert. Obwohl wir mit Portaledge, Essen und Trinken für 4 Tage ausgerüstet waren fanden wir das so blöd das wir abends vielleicht etwa zu vorschnell abseilten. Wir hatten ja bei unserer Route versucht, die Haken für die Wiederholer so perfekt wie möglich zu setzen, und hier war das Gegenteil der Fall. Wenn man sich einen Haken wünscht oder mal nicht weiter kommt, grinst einen so ein Bohrloch an. Die Bohrlöcher stammten wahrscheinlich von den Erstbegehern die sogenannte Removable Bolts verwendet haben. Dies sind Klemmgeräte die wie ein Friend Funktionieren und für Bohrlöcher verwendet werden. Als ich zum ersten mal davon hörte war ich begeistert. Ich dachte damit kann man endlich die Haken dort platzieren wo sie hin gehören. Ich musste schnell lernen das ich mich da geirrt hatte. In Marokko kletterte ich mal Shucram, eine Route von Tony Arbones, der sich "Heldenhaft" mir der Benzinbohrmaschine nach oben gebohrt hatte. Etwa aller 2 m war ein Loch und in jedem 4. Loch war ein Bohrhaken. Diese steckten zwar in einer Linie, waren aber beim Klettern meist blöd einzuhängen. Ist ja auch logisch, der "Erstbebohrer" hat diese ja auch nicht aus der Kletterstellung erreicht. Jedenfalls finde ich es mitlerweile als schlechten Stil, solche zu verwenden. Da der Wiederholter diese fast nie sieht und immer benachteiligt ist. Ein Kompromiss wäre noch, dies auf dem Topo als verwendetes Material anzugeben. Bei Seillänge Klemmgeräten und Anzahl der Expressschlingen macht man es doch auch so. Warum nicht bei allem so ehrlich sein, wenn man diese braucht. Schade wenn das Ego da im Wege steht. Leider war bei den folgenden 2 Routen das gleiche der Fall, wodurch trotz der schönen Ketterei, ein fader Beigeschmack, beim Klettern aufkam, und künstlich erzeugte obligatorische Schwierigkeiten auf den Wiederholer warteten.
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In der Schlüssellänge von Mora Mora |
Vazaha m' Tap Tap 8a+, 650 m
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Topo Vazaha m'Tap Tap (Crazy white men) |
Eigentlich eine tolle Linie an einer Kante lang. Die Cruxlänge hat tolle Stukturen und ist in einer rechten und linken Variante gebohrt. Wir haben die rechte gewählt wo mit 7b+ die obligatorische crux und mit RP 8a+ die Schlüssellänge liegt. Die linke Variante wurde sich hochgebohrt ging aber wahrscheinlich oben nicht auf, weil da ein alter Karabiner hing. Leider sind durch einen Absatz 3 bewachsene Seillängen dabei, was zum klettern sehr unschön war. Jedoch hat es ein bequemes Biwakband. Da Chris-Jan Angst um seine geborgten Isomatte hatte, haben wir das Portaledge mitgenommen. Nach dem Biwakband die Längen sind nicht so schwer wie angegeben aber besonders bei der 7c+ stecken die Haken echt besch... . An der entscheidenten Stelle stecken 2 BH rechts der Kante und man muß links queren. Die Erschließer halfen sich mal wieder mit Removable bolts, aber das nützte uns nichts. Da die Erstbegeher auch über 300 m Fixseile in der Route beließen, verwendeten wir beim entfernen dieser aus der Wand, einige Meter davon, um den entscheidenden Haken zu verlängern.
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Schlüssellänge von Vazaha m'Tap Tap |
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Biwakband mit Portaledge |
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Die angebliche 7c+ ist zwar nur 7b* aber die Haken steken so besch... und dann noch das Loch für den Removeable Bolt, das einem das Leben hier mit Absicht schwer gemacht wird. Für die nächsten Seilschaften haben wir ein Seil altes stück Seil in den Haken gehangen. |
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über 300 m alte Statikseile sowie ein alter schlafsack haben wir aus der Route entfernt. Eine Sauerei das die Erstbegeher ihren Müll am Berg zurückgelassen haben. |
Das allerbeste an der Route war der Blick auf unsere Kingline und der war atemberaubend.
Nach einem Ruhetag kletterten wir noch "Cumbre Flying Circus" und "King Luis und seine Asselbande" und dann ging es zufrieden nach Hause.
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Wenn man so klettern könnte wie die Lemuren, dann ist es nicht schlimm wenn der Klettergurt oder das Seil mal verspätet ankommt, denn da bäuchte wir es sicherlich nicht mehr. |
Wer sich den Blogtitel bis hierher gemerkt hat und wissen will was es damit auf sich hat: Wie beschrieben versagte mein Handy ohne Grund in der Mitte des Urlaubs. Nicht nur das meine spannenden Ebooks damit in unerreichbare ferne gerückt waren, war auch alles andere Planungs- und Abzrechnungstechnische weg. Dadurch blieb mir viel Zeit zum Nachdenken, und außer dem Klettern, gab es keine Ablenkung. Auf der Fahrt zum Flughafen hatten gefühlt alle Einheimische ein Handy am Ohr, standen mitten im Leben und waren schwer beschäftig. Da wußte ich, ich hatte gerade Urlaub vom Leben. Weil wir wieder richtig Lust hatten am normalen Leben teilzunehmen stürzten wir uns mitten hinein.
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Abschied vom Tsaranoro und Karambony am Morgen. |
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Zurück in der "Zivilisation" |
Da ich es wichtig finde das andere nach Madagaskar reisen auch so etwas wie einen Führer Haben hier die aktuelle Zusammenstellung aller Topos die ich auftreiben konnte. Viel Spaß da draußen.
Aktualisiert 01/2020
Topos:
https://www.dropbox.com/s/fxkjzhnbabpm2og/Collected%20Topos%20Tsaranoro%20Valley%202019.pdf?dl=0
Infos zur Anreise, Unterkunft und vieles mehr:
https://www.dropbox.com/s/mxnzvzm2gcvbken/Gebietsinfos%20Tsaranoro%20Tal%2C%20Klettern%20in%20Madagaskar.pdf?dl=0