Hier noch einmal der Link zum 1. Teil:
http://kayakandclimb.blogspot.com/2020/04/erstbegehungsgeschichten-teil-1.html
Wie schon angekündigt folgte meine Sturm- & Drangzeit. In diesen Jahren gab es zu viele Wege als das man über alle etwas schreiben kann. Welche Erstbegehung jedoch symbolisch für diese Zeit steht ist Chris-Jans und meine gemeinsame Erstbegehung am Wolfsturm.
Deshalb beginnt der 2. Teil der Erstbegehungsgeschichten mit diesem Erlebnis.Wolfsturm, Stiller Wolf 10b RP 11a, 2002
Außer dem Klettern hatten wir ja nicht viel zu tun als wir jung waren. Deshalb wurde in allen Lebenslagen an Klettern gedacht oder davon gesprochen. Naja in fast allen Lebenslagen. Irgendwann meinte Kuno eher so im Scherz, Chris-Jan und ich sollte eine gemeinsame Erstbegehung einmal "Stiller Wolf" nennen als Kombination unserer Familiennamen. Eigentlich eine witzige Idee, aber passender wäre allerdings "Der Wolf und sein stilles Geißlein". Es sollte ja auch nur ein Wortspiel sein und wenn möglich an einem der Gipfel mit "Wolf" im Namen. Fündig wurden wir irgendwann am Wolfsturm und wir waren der Meinung, dass? der Gipfel bereits voll erschlossen ist. Die letzte große Linie hatte sich Uwe Richter in der Mitte der Talseite gesichert und unser Weg würde wahrscheinlich nur eine Einstiegsvariante zu "Hase & Wolf" werden. Naja, auch egal. Hauptsache schwer und der Witz mit dem Namen ist an den Fels gebracht. Ende April an einem kühlen regnerischen Tag, machten wir die ersten Versuche. Im Handbetrieb schlugen wir die ersten beiden Ringe und ich war hoch erfreut, wie schwer die Wand war.
Chris-Jan beim Schlagen des 2.Ringes von Stiller Wolf. |
Wenn man per Hand mit dem Kronenbohrer bohrt muss der Sand gelegentlich aus dem Bohrer geklopft werden. |
Schneller geht es da mit der Bohrmaschine (3.R Stiller Wolf) |
Gegen den Sand vom Bohren hilft auch ein T-Shirt. |
5 kg Kampfgewicht, brachte die Hilti damals noch auf die Waage. |
Der letzte Ring kommt am Wolfsturm in den Fels und der handwerkliche Teil war damit beendet. |
Ende Mai, also beim nächsten Besuch, folgten die letzten 2 Ringe und das Lächeln wollte mir nicht mehr aus dem Gesicht weichen. Kamen wir anfangs an den Wolfsturm um eine Variante zu erschließen, stellte diese jetzt den Originalweg in den Schatten. Da die Wand beachtlich überhängt, sollte die neuer Route erst im RP durchgestiegen werden, bevor sie im Gipfelbuch erscheint. Es war einiges an Überredungskünsten nötig, um Chris-Jan innerhalb der wenigen Wochen ein weiteres mal zum Wolfsturm zu locken. Er vertrat halt die Meinung, es ist doch nicht nötig sich zu beeilen, die Wand läuft uns schon nicht davon. Naja, besonders geduldig war ich in dieser Hinsicht noch nie. Ich brannte ja auch lichterloh für diese Linie. Zudem wollte ich endlich wissen, ob sie für uns im Durchstieg zu klettern geht. Am Samstag den 14.06.2001 war es dann endlich so weit. Wir waren auf dem Königsweg, kurz vor unserem Ziel, als ein Wolkenbruch niederging. Nach einer Stunde Regen, war der Wolfsturm für den Tag gestorben und wir wählen als Plan B das Schwarze Horn in Schmilka. Nicht gerade um die Ecke, aber dort konnte man noch einen regensicheren Direkteinstieg zum "Zugzwang" erstbegehen. Wir hatten ja immer Schlagzeug und Ringe dabei. So gab es am Ende des Tages, wieder einen schweren Weg mehr im Gebirge. Leider brach später ein Aspirant in der "Zwangsvollsteckung" den Schlüsselgriff aus und ich konnte diesen Weg bis heute nicht wieder RP Durchsteigen, aber das ist eine andere Geschichte. Das Thema Wolfsturm war immer noch offen. Ich wollte es am Folgetag noch einmal probieren, aber da gab es ein Problem. Der 2. Namensspender hatte in der kommende Nacht, unter seinem Künstlernamen "DJ Duplex", einen Auftritt. Er würde also nicht vor Sonnenaufgang, dafür dann aber lärmgeschädigt und übernächtigt nach Hause kommen. Ihn dann zum 5. Mal innerhalb von 8 Wochen zum Wolfsturm zu bewegen, war wohl mein erfolgreichstes Verkaufsgespräch. Wer solche Freunde wie mich hat, der braucht keine Feinde. Als Chris-Jan übernächtigt, gegen Mittag, am Wolfsturm ankam, waren wir nicht alleine. Es hatte sich herumgesprochen, das Uwe Richters "Isegrim" ein tolle neue Route ist, weshalb selbst Uwe? mit Karen vor Ort war. Dazu kamen Rolle & Neddl, sowie Rüdiger und Kuno. Auch meine Eltern schauten auf einer Wanderung bei uns vorbei, was mich besonders freute, da sie mir das Klettern in die Wiege gelegt hatten. Das Ende der Geschichte ist schnell erzählt, der Durchstieg glückte und viele der Anwesenden probierten unsere Route und sie wurde von AF 10c einen Grad abgestuft . Leider fand sich zum 3.Ring eine Variante im Linksbogen zu den Platten vom "Hase & Wolf". Obwohl wir diese Griffe nicht benutzen stellte dies eine erhebliche Vereinfachung der Einzelzüge dar. Da jedoch die leichteste Variante zählt und nicht der Wunschtraum von zahlenverliebten Nachwuchskletterern reduzierten wir die AF Schwierigkeit auf 10b. So fand auch diese Geschichte ihr Ende und am Abend stand endlich unser Wortspiel im Gipfelbuch.
Was mit eine Wortspiel anfing steht ist nun beendet. Der Gipfelbucheintrag vom Wolfsturm |
Frienstein, Herr der Ringe 10c RP 11b, 2002
Nicht alle Erstbegehungen waren so schnell und unkompliziert verlaufen wie Stiller Wolf. Das Neuland mit den größten Hindernissen, war eindeutig am Frienstein. Das Witzige ist, dass die Idee eigentlich gar nicht von mir, sondern von Kuno stammte. Bei unserem ersten Treffen, im Bielatal, erwähnte er die Kante. Er erwähnte auch, dass die Kante bereits von Jens Triebel angefangen war. Ich setzte mich 1999 mit Jens Triebel in Verbindung und fragte, ob er das Projekt noch weiter verfolgen wolle. Die Anspruchszeit war bereits abgelaufen aber, er würde gerne noch 1 Jahr versuchen, ob er eine Chance hätte. Kein Problem für mich und so wartete ich, bis diese Zeit verstrichen war. Am 14. September ging es zum Frienstein und das Ziel des Tages war es, erst mal zu schauen und vielleicht einen 2. Ring zu schlagen. Eigens dafür hatte ich mir die Bohrmaschine, damals noch die 5kg Hilti, geborgt. Wie ich so unter der Kante stand und hochschaute war die erste Namensidee für diese Kante "Hale Bopp", weil die Kante wie der Kometenschweif gebogen war. Auch der Rarität der Linie, sollte mit dem Namen Rechnung getragen werden. Das die Ironie und mein Unvermögen, der Kante später zu einem ganz anderen Namen verhelfen würde, war noch nicht absehbar. Das Schlagen des Ringes, war nach meiner heutiger Ansicht, extrem leichtsinnig. Nicht nur, dass der erste Ring überstiegen war, ich hing ausschließlich an einer Eisenwarze und belastete diese schräg nach außen. Heute weiß ich, dass es deutlich besser ist, eine Trittschlinge zu verwenden und solche Strukturen beim Ringschlagen nach unten zu belasten. Da ich es persönlich nervig fand, sich in eine Kette von Expressschlingen zu setzen, welche nie die richtige Länge hatten, verfeinerte ich Kunos Technik, in den nächsten Jahren. Wenn Kuno sich ganz kurz an eine Schlinge oder einen Cliff setzen wollte, nahm er eine dünne Rundschlinge doppelt zwischen 2 Karabinern und zog sich damit selber so hoch es eben ging. Das dies teilweise sehr hoch geht, merkt man schnell beim Klettern von Kunos Wegen . Diese Lösung kam für mich leider nicht in Frage, weil man dafür 2 Hände benötigte und ich eine Hand fast immer am Fels belasse. Meine Lösung war einfach, den Spannriemen der Isomatte zu verwenden.
Beim Schlagen vom 3.Ring von "Herr der Ringe". Damals wurde sich noch irgendwie in Expressschlingen gesetzt. |
Not macht erfinderisch, Angst auch. Mit dem Spannriemen ging Jahre später es deutlich besser. |
Über dem herausstehenden 4.Ring ging es erst einmal ohne Ring weiter. Foto Martin Richter |
Mittlerweile weiß ich, dass die Natur vorgibt wo die Ringe platziert werden müssen. Wenn der Erstbegeher diese Gegebenheiten ignoriert, ist der Weg für alle verhunzt. Leider sind die Zeiten vorbei, wo die großzügigen Linien erschlossen werden konnten. Deshalb muss das vorhandene Potential sinnvoll genutzt werden. Bei Erstbegehungen in den großen Wänden in Madagaskar, Wadi Rum (Jordanien) oder den Alpen, waren unsere Hakenabstände im Durchschnitt immer >4m, aber manchmal war halt auch mal ein 2m Abstand dabei. Doch was für den Rest der Welt gilt zählt in Sachsen nicht viel.
Wieder brach ich die Erstbegehung ab und stellte den Antrag für einen zu engen Ringabstand. Leider sehen die starren sächsische Kletterregel keine Lösung für eine Kante wie diese vor. Ich bekam den Ringabstand von 2 mal 2,75 genehmigt, aber auf keinen Fall geringer. Die ideale Lösung ist das leider nicht. Perfekt für diese Kante wäre es gewesen den 2. Ring auf 1,9m und der 3. Ring müsste auch von seinem jetzigen Standort ca. 80 cm weiter runter gesetzt werden . Leider ist so etwas damals wie heute undenkbar. Selbst der Logik folgend, dass die Anzahl der Ringe dadurch unverändert bliebe, geht in manche Köpfe nicht hinein.
Auch das Schlagen der nächsten beiden Ringe, gestaltete sich nicht ohne Missgeschick. Der 4.Ring war leider ein Rohrkrepierer. Obwohl noch die Hälfte des Ringes herausragte, bewegte er sich keinen Millimeter mehr. Ob dies an zu viel bzw. abgerissenem Blei oder am zu stark abgenutzten Bohrer lag, kann ich nichtsagen. Jedenfalls bekam ich den Ring auch nicht mehr im Vorstieg aus dem Fels gezogen. Da war die einzige Lösung weiterklettern und den nächsten Ring schlagen. Da lag leider das Problem. Ich kletterte einige male zum nächsten Ringstandort und konnte mich leider nicht festmachen um den Ring zu setzen. Unzählige male stürzte ich in den halb herausstehenden und abgebundenen Ring. Irgendwann gab ich es auf und kletterte ohne Ring hoch. Der 5. Ring wurde nachträglich geschlagen, der 4.Ring herausgebohrt und anständig gesetzt. Bei all diesen Aktionen stand mir Chris-Jan mit Rat und Tat zur Seite ,damit ich nicht etwa die Bohrmaschine falsch herum halte. Erst daran erkennt man, einen echten Handwerker.
In den folgenden Jahren folgten unzählige Versuche die Kante RP zu durchsteigen aber es gelang uns nie. Ab 11:00 Uhr kam die Sonne um die Ecke und auf die Windrichtung im Wetterbericht haben wir damals leider noch nicht geachtet. Am Montag den 20.05.2002 gab ich es auf, die Route bei der Erstbegehung RP zu durchsteigen. Ich schrieb voller Ironie und Groll "Herr der Ringe" ins Gipfelbuch. Weitere Besuche beim Frienstein folgten. Die Odyssee endete erst 5 Monate später, am Reformationstag 2002, als der lang ersehnte Durchstieg glückte. Nicht nur dass die Fitness stimmte, es war kühl, trocken und stark bewölkt. Somit hatte ich mehr als nur 2h am Morgen Zeit, um die Kante zu Klettern. Damit ich beim Einhängen des 2. Ringes nicht Gefahr lief auf dem Boden zu landen, kletterte ich mit Doppelseil und zwei Sicherungsleuten. Stefan und Robert Leistner hatten diese undankbare Aufgabe übernommen. Durch das Doppelseil gab es wenigstens eine kleine Chance, beim einhängen nicht auf den Boden zu landen. Dazu wäre es nötig, das Robert während eines Sturzes kräftig das Seil einzieht. Zum Glück blieb mir dieses Szenario erspart. Ich gelangte ohne Sturz zum 3. Ring. Das schwerste und gefährlichste war jetzt hinter mir. Ich wollte jetzt unter keinen Umständen mehr fallen, wer weiß ob ich noch einmal bis hierher Durchsteigen kann. Dadurch wurde ich zittrig und zögerlich. Genau die falsche Einstellung, für die weiten Schnapper ohne Tritte. Es war mehr Krampf, als Kampf. Durch das Anfeuern des Bodenpersonals motiviert, gab ich noch mal alles und es glückte mir, endlich. Da sieht man, wie wichtig der Kopf und die richtigen Leute beim Klettern sind.
Nach dem Durchstieg war die Freude groß und wir saßen noch lange am Einstieg und diskutierten über die Schwierigkeitseinstufung für den Durchstieg. In der Umgebung hatte ich viele 11a's geklettert, die waren gefühlt alle leichter. In anderen Gebieten hatte ich sogar 2 Grade schwerer in deutlich kürzerer Zeit geklettert, aber das kann man mit Sachsen nicht vergleichen. Eigentlich wollte ich RP 11a geben, doch Robert überzeugte mich die Route mit RP 11b zu bewerten. So stufte Ich Herr der Ringe nach all den Besuchen am Frienstein mit RP 11b ein. Umgerechnet scheint das zwar lächerlich aber man sollte eben nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.
Robert Leistner probiert Herr der Ringe. Foto Helmut Schulze |
Südlicher Gleitmannsturm, Wurmloch 10a RP 10b, 07.09.2002
Das die Sächsische Schweiz so weit im Ostern von Deutschland liegt, hat auch etwas Gutes. Dadurch wird das? die Frankenjura, als das größte Klettergebiet in Deutschland wahrgenommen und dort herrscht jedes Wochenende Jahrmarktstimmung. Leider werden dadurch bei uns viele Kletterwege über die Jahre immer schmutziger. Das mindert leider den Spaß und die Gesteinsqualität wird auch nicht besser. Das mit den sandigen Griffen kann jeder Wiederholer mit einer Zahnbürste beheben, aber dazu haben viele keine Lust. Es ist schon komisch die Mentalität im Osten, Mitbestimmen wollen alle, mitmachen aber nicht. Vielleicht ist dieses Verhalten so tief in den ehemaligen Einwohnern des Arbeiter- und Bauernstaates verwurzelt. Vielleicht ist es nur der aufgestaute Mitbestimmungsdrang von 40 Jahren DDR. Die folgende kleine Geschichte ist ein Versuch, diese Theorie zu untermauern.
Im August 2002 fuhr ich mit meiner Freundin an die Gleitmannstürme, um dort zu Klettern und zu Boofen. Die Rucksäcke waren fürs Wochenende schwer, aber nicht schwer genug. So war noch Platz für den Kronbohrer und 2 Ringe. Nicht zu vergessen das Blei, das zwar nicht viel Platz weg nimmt, dafür aber umso schwerer wiegt. Beim Klettern in der Südseite, fiel mir ein freies und sehr schweres Wandstück, rechts vom "Großen Wurm", auf. Damit waren die wichtigsten Kriterien für mich erfüllt. Sogleich ging ich ans Werk, um meinen Rucksack etwas zu erleichtern. Es ging an einem steilen Hang los, wo lediglich ein morscher Baum etwas moralischen Rückhalt gab. Ohne jegliche Zwischensicherung, ging es schon unangenehm weit hoch. An welcher Stelle der Ring stecken müsste war offensichtlich, denn die Wand war an dieser Stelle sehr glatt und es gab außer eine abschüssigen Eisenwarze keine Strukturen. Meine Hoffnung irgendeine Sicherung zu finden löste sich in Luft auf, denn die Bänder waren alle flach und rund. Auch nach längerem Suchen fand ich kein kleines Loch, was ich für den Skyhook verwenden konnte, um den Ring zu schlagen. Je dicker meine Arme wurden und je mehr ich schüttelte, umso unruhiger wurde meine Freundin am Einstieg. Irgendwann gab es nur noch eine Möglichkeit. Irgend eine fusselige Bandschlinge auf die Eisenwarze gelegt und vorsichtig daran gezogen. Das Gute an dieser Eisenwarze war, das man vor dem Abbrechen keine Angst haben musste, das schlechte allerdings war, das garantiert nichts aus Versehen daran hängen bleiben würde. So bedurfte es 3 Versuche, ehe die Schlinge liegen blieb und da die Wand überhing, musste man den Untergriff festhalten damit die Schlinge hielt. Ehe man an der Richtigen Stelle saß waren nicht nur meine Nerven, sondern auch meine Unterarme gespannt wie Stahlseile. Da ich eine Hand brauchte um mich festzuhalten, zog ich einarmig das Schlagzeug hoch. Um mit den Bohrer besser einarmig zurecht zu kommen, fing ich an mit der Spitze des Hammers ein kleines Loch zu schlagen. Noch während ich pickerte, vernahm ich von hinten eine Stimme. "Das ist verboten!" Ich war kurz irritiert, ehe ich fortfuhr, immerhin wollte ich mich schnellstmöglich am Kronenbohrer sichern. Da hörte ich erneut die Stimme: "Das ist verboten!". Langsam wurde es mir zu bunt. Ich konnte mich zwar nicht umdrehen, aber ich fragte was den verboten sei. Die Stimme antwortete ganz bestimmt. Es ist verboten einen Ring in die Wand zu schlagen, das dürfe man nur mit einer Ringschlaggenehmigung. Von so etwas habe ich zwar noch nie gehört, aber es ist ja bekanntlich so, das diejenigen die am wenigsten wissen, am meisten zu sagen haben. Ich Ignorierte die Kommentare und war froh, als irgendwann der Ring in der Wand steckte. Die Stelle ging an diesem Tag leider nicht zu Klettern und meine Freundin war nervlich so am Ende, das wir Feierabend machten. Wir versuchten, während der Flut, noch einmal mit dem Fahrrad zu den Gleitmannstürmen zu fahren, wurden aber vom BGS nicht ins Krisengebiet gelassen.
Rechts hinter Chris-Jan geht später das Wurmloch lanng. |
Erst als es im September kühler wurde, kam ich mit Chris-Jan zurück. Nach dem Einklettern ging es gleich zum Projekt. Der Ring war gut einzuhängen, aber es wurde sofort schwer. Nach einer Stunde bouldern, schaffte ich es in Schulterhöhe auf der besagten Eisenwarze aufzuhocken und war Stolz wie ein König. Endlich hatte ich den heiligen Gral gefunden. Seit Jahren schon suchte ich das Gegenstück zum Längenzug, quasi den "Kürzenzug". Was die Antimaterie in der Physik ist, ist der "Kürzenzug" beim Klettern. Er würde es schaffen das empfindliche Gleichgewicht zwischen den großen und den häufig zu kleinen Kletteren wieder herstellen. Jahrelang hatte ich nach diesem Zug gesucht und immer gab es eine leichtere Lösung für Große. Dieses mal würde sich die Waage in meine Richtung neigen und ich war interessiert darauf wie Chris-Jan diese Stelle lösen würde. Den Fuß so hoch zu setzen würde ihm bestimmt nicht leicht fallen.
Lange Rede ohne Sinn, was folgte war wie immer. Chris Jan blieb unten in den großen Tritten stehen und kam locker zum nächsten Griff. Für das gleiche Ergebnis musste ich mir einen Knoten in die Hüfte machen. Also leider wieder kein "Kürzenzug". Somit geht sie weiter meine Quest, nach dem ersten richtigen Riesentod.
Beim Bohren des 2.R am Wurmloch. |
Schinderkopf, Mausefalle 9c RP 10a 23.8.2002
Wie schon bereits erwähnt, gab es 2002 nicht nur eine Tsunami von neuen schweren Wegen, sondern auch ein sehr schlimmes Hochwasser. Erst regnete es 2 Tage nonstop und viele kleine Flüsse traten über die Ufer und zerstörten sogar ganze Häuser. Als diese Flüsse wieder ihren Weg zurück in ihr Bett gefunden hatten, herrschte strahlender Sonnenschein. Nach der Hilfe bei Aufräumarbeiten, besonders beim abgesoffenen SBB, ging es zum Sandsackschleppen in der Dresdner Innenstadt. Nach zwei Tagen schmerzenden Rücken, war das Wetter immer noch schön und die Elbe stieg und stieg. Da wir in Dresden unser Pflichten erfüllt hatten, fuhren wir mit dem Fahrrad nach Waitzdorf, wo wir zu dieser Zeit noch unsere Bleibe fürs Wochenende hatten. Von dort aus wollten wir ein Wochenende mal was anderes als Schlamm und Wasser sehen. Mit dem
Fahrrad sollte es ins Kirnitzschtal gehen, um das angefangene Projekt am Gleitmannsturm weiterzumachen. Leider Endete dieser Versuch am Bahnübergang Goßdorf/Kohlmühle. Dort hielt uns eine Straßensperre des BGS auf. Dort mussten wir erst mal erklären, was wir als Dresdner in der Sächsischen Schweiz wollten und unsere Rucksäcke auspacken. Es wurde damals also schon für Corona geübt und Plünderer kommen ja bekanntlich mit dem Fahrrad. Selbst die Erklärung, dass wir nicht vorhatten etwas wegzunehmen, sonder sogar Ringe in der Sächsischen Schweiz lassen wollten, half uns nicht und wir durften nicht ins Katastrophengebiet. Am Ende gingen wir notgedrungen in den Brand und die Ochel Klettern. Was zur Flut ging, funktionierte auch im Frühjahr 2020 noch recht gut. Da es etwas dauerte, uns Projekte in der Gegend zu suchen, besserten wir unsere Kronenbohrer auf, die mittlerweile so abgenutzt waren, dass die Ringe zu straff im Fels saßen. Nichts leichter als das, sagten wir uns. Mit dem Gasbrenner wurde die Spitze des Bohrers rotglühend gemacht und ein Ringende weitete die Zähne nach außen, abkühlen und fertig - das dachten wir zumindest. Mit dem neuen alten Werkzeug ging es zum Schinderkopf, wo ich noch eine Lücke im bestehenden Wegenetz gefunden hatte. Da der 1. Ring zwischen Eisenplatten steckte, war ich erst mal nicht verwundert, das es langsam voran ging. Was allerdings skurril war, war dass der Bohrer beim drehen extrem klemmte. Nach 2 Zentimetern gab ich auf und wirschte so lange herum, bis der Bohrer endlich aus dem Loch kam. Ich staunte nicht schlecht, beim Blick auf die Spitze. Alle Zähne waren stumpf und komisch nach außen gebogen. Echt garstig solche Eisenplatten, dachte ich erst. Langsam dämmerte mir jedoch, das dies nicht die passende Wahrheit war. Könnte es vielleicht sein das wir etwas metallurgisch wichtiges vergessen hatten bei unseren aufdornen? Mit dem Fahrrad waren es keine 5 Minuten bis zu Feile Amboss und Gasbrenner. Dieses mal versuchten wir das Metall zu härten, indem wir die Rotglühende Spitze in kaltem Wasser abschreckten. Wenig später am Fels war der Beweis erbracht und wir waren wieder etwas schlauer. Obwohl wir dieses Mal die Bohrmaschine dabei hatten, bohrte ich den 3. Ring lieber mit der Hand. Es war ein anhaltender Krampf, mit abgeschnürten Beinschlaufen von den Trittschlingen. Jedenfalls wusste ich danach, dass der Bohrer nun gehärtet war. So wurde einmal mehr ein Weg erstbegangen. Der Name war auch schnell gefunden, passend zum Nachbarweg "Tom & Jerry" und unserer aktuellen Beschränkung auf Ochel & Brand.
Frienstein, Visionen von Gestern 10c, 2008
Am Anfang der Erstbegehungsgeschichten kam ja mal zur Sprache, dass manche der Wege die wir heute Klettern oder erschließen Visionen der Vergangenheit sind. So auch diese Wand, die um 1987 von Christian Günther unter dem Namen "The End" eingebohrt wurde. Der Name stand wahrscheinlich sinnbildlich für das obere Ende der Schwierigkeitsskala. Die Erstbegehung wurde damals nicht anerkannt, da es keinerlei Schlingen zum schlagen des 3.Ringes gab. Da vom entfernen der unteren Ringe oben noch immer ein Eisen im Fels steckte, war die Generation vor uns wahrscheinlich schon über diese Wand abgeseilt. Anders lässt es sich nicht erklären, dass sobald ich mich nach dieser Wand erkundigte alle zu wissen schienen, dass der Ring in der Crux nicht von unten zu schlagen wäre. Angeblich läge dies daran, weil die Griffe zu flach dafür sind. Das waren ja schon mal gute Aussichten, aber man wächst ja mit den Herausforderungen. Eine Ungefähre Aufteilung der Ringe konnte man sich vorstellen, aber dafür musste der erst Ring sehr hoch stecken.
Irgendwann nach der Jahrtausendwende, schlug ich den 1. Ring und es war ein richtiger Akt. Scheinbar habe ich am Frienstein nicht so viel Glück mit dem Ringschlagen. In der überhängenden Rippe liegt eine bomben Schlinge, die beim Einhängen des Ringes fast überstiegen ist. Durch den Überhang würde man beim Sturz in diese Schlinge extrem unangenehm in die liegende Wand am Einstieg einschlagen. Im Lochband wo der Ring geschlagen werden sollte, legte ich schräg nach links eine sehr schlechte Schlinge. Leider war diese zum Ringschlagen zu niedrig, aber das merkte ich erst als ich drin saß. Zum raus machen war ich aber zu faul und so hängte ich sie ins Seil ein, obwohl sie nie eine Sturz halten würde. Darüber war ein Schlitz der sich ganz leicht nach links verengt, in diesem legte ich nun die Schlinge zum Bohren des Loches. Damit die Schlinge hielt musste man sich nach links lehnen und für die richtige Höhe, ganz hoch an diese setzen. Kurz bevor ich die gewünschte Höhe erreicht hatte, kam die Schlinge mit einem "Plopp" aus dem Schlitz geflogen. Es ging mehr oder weniger unkontrolliert mit Schräglage gen Tale. Mein Sicherungsmann hatte es sich am Einstieg bequem hingesetzt und deswegen wurde der Sturz auch sehr weit. Als ich neben meinem Sicherungsmann hing, baumelte eine Schlinge im Seil. Ich war auch nicht in der Platte eingeschlagen, wie befürchtet. Was war also passiert? Die Schlinge aus der ich den Ring zuerst schlagen wollte, hat durch das festsitzen den Sturz gehalten. Die darunter liegende Ringwertige Schlinge hatte es durch den Überhang schräg nach oben aus den Riss gezogen. Das war einerseits erschreckend, aber bei dem vielen Schlappseil hätte ich sowieso unten gelegen. Gut das ich die Schlinge ins Seil eingehangen hatte, sonst wäre das sehr übel ausgegangen. Beim nächsten Versuch spatelte ich zwei Schlingen in den Schlitz, um ein Verrutschen zu vermeiden. Mit einigen Trittschlingen hatte ich die Höhe erreicht und es ging ans Ringschlagen. Leider war Handbetrieb angesagt und das war eine Qual. Es dauerte fast 2h ehe der Ring in dem sehr harten Gestein steckte. Zwischendurch gaben einige Freiberger Kletterer ihre Ratschläge dazu, das es mehr auf die Frequenz des Schlagens, als auf die Härte der Schläge ankommt. Naja, weglaufen konnte ich jedenfalls nicht und die Beine waren mir auch sehr bald eingeschlafen.
Das Projekt geriet in Vergessenheit und im März 2008 waren gute Bedingungen und die Fitness stimmte auch. Bei mir war Prüfungszeit und nach der Prüfung konnte ich rausfahren. Wir waren im 10 Uhr Zug verabredet aber ich kam erst 09:50 Uhr aus der Prüfung. Nun hatte ich 10 Minuten, um vom hinteren Teil des Campus bis zum Hauptbahnhof zu rennen. Auch wenn der Rucksack sehr schwer und voll mit Erstbegehungszeug war, rannte ich wie ein Wahnsinniger los. Ich erreichte gerade so den Zug und war fix und fertig. Zum Glück machte das Semesterticket wenigstens die Zugfahrt entspannt. Von Schmilka ging es über die Heilige Stiege zum Frienstein. Das mir beim Laufen die Füße schmerzten schob ich auf den Rucksack und ignorierte es. Am Fels hielten wir uns nicht lange auf und kletterten hoch und schlugen den 2. Ring. Eigentlich hätte Chris-Jan den unmöglichen 3. Ring machen sollen, denn er ist der Meister des Skyhooks. Leider kam er nicht in die Position aus der man den Cliff legen konnte. So musste ich gegen alle Planung selber ran. Beim reinsetzen in den Cliff schloss ich die Augen, denn er lag erbärmlich. Als er endlich in der flachen Mulde hielt, war ich froh, aber die Beine baumelten in der Luft. Der Cliff drehte sich mit mir hin und her und ich konnte nicht glauben das er wirklich hielt. Eigentlich hätte ich mich mit dem Spannriemen nach oben ziehen müssen, um den Ring entspannt zu bohren, aber das traute ich mich nicht. Zum Glück hatte Chris-Jan mittlerweile aufgerüstet. Die erste Bohrmaschine bei uns war ja die Hilti,über 5 kg Kampfgewicht brachte diese auf die Waage. Jetzt hatte Chris-Jan eine Hitachi und die war mit 3,6 kg einiges leichter. Das hört sich nicht gerade schwer an, aber die Maschine war in diesem Fall genau 3,6 kg zu schwer. Als ich das Materialseil einziehen wollte, hatte ich das Gefühl mein Sicherungsmann hätte sich persönlich ans Seil gehangen. Der Skyhook knirschte gefährlich und ich drehte mich langsam nach links und rechts. "Warum müssen meine Ringe immer so furchtbar unangenehm zu schlagen sein." Dachte ich. Es dauerte eine Ewigkeit ehe die Hitachi bei mir war. Es gibt eben Situationen da wünscht man sich noch eine zusätzliche Hand, damit das einarmige Ziehen und das Nachgreifen mit dem Seil im Mund wegfallen kann. Mit der Ankunft der Bohrmaschine war eigentlich noch nichts geschafft. Alleine das Ansetzen weit über dem Kopf war mehr als eine Zumutung und immer wieder das knirschen des Skyhook vor meinem Gesicht. Der erste Bohrversuch endete ganz schnell. Noch bevor ich den Bohrer ansetzen konnte sprang er auf der Wand hin und her und rutschte seitlich weg. Die Hitachi hatte einen Schlagwerk, das bei geringem Druck sofort loslegte und mich fast aus der Wand katapultiert hätte. In meiner ungünstigen Position konnte ich kaum drücken und so war der Akku leergelutscht, nachdem er gerade mal 2 Löcher gebohrt hatte. Normalerweise reicht so ein Akku für 4-6 Ringe je nach Gesteinshärte. Ich kam wieder mal auf nur 2 Löcher pro Akku. Irgendwann war es überstanden und verglichen mit dem Ringschlagen war das Klettern machbar. Noch bevor es dunkel wurde, saßen wir beide am Gipfel. Dazu muss gesagt werden, dass dies nur gelang, weil Chris-Jan den 5. Ring bohrte und es bei ihm schnell ging. Wir waren zufrieden und geschafft und ich vermerkte in meinem Fahrtenbuch, das dies wahrscheinlich die schönste Erstbegehung sein wird, die ich je machen werde, denn das Gestein ist einfach perfekt. Als es an den Nachhauseweg ging, schmerzten meine Füße so sehr, dass ich nicht mehr auftreten konnte. Erst jetzt dämmerte es mir, woher der Schmerz eigentlich kam. Als ich mit dem schweren Rucksack und ausgelatschten Schuhen zum Zug gerannt bin, habe ich mir die Bänder im Fußspann überlastet. Das Fußgewölbe war nun komplett plattgetreten und schmerzte höllisch, wenn ich nicht beim Laufen die Zehen in den Boden presste. Das ging nur ohne das Zusatzgewicht auf dem Rücken. Deshalb durfte Chris-Jan die Last 2er Rucksacke zum Zug zurück tragen. Sein einziger Trost war, das jetzt 4 Ringe und etwas Blei in der Wand steckten und das beide Akkus leer waren.
Am 1. Ring geht es schon richtig los. Einen Heelhock auf Handhöhe und das ganze durchlaufen bis der Startgriff an der Hüfte ist. Fotograf Helmut Schulze |
Der 3.Ring war nicht nur schwer zu schlagen, sondern die Crux ist das saubere Vorbeiklettern mit ganz kleinen Leisten und Seitgriffen. Fotograf Helmut Schulze |
Visionen von Gestern im Abflug über dem 2. Ring. Fotograf Helmut Schulze |
Viele Jahre wurde uns diese Erstbegehung nicht anerkannt und später erfuhren wir auch warum. T.W. & F.H. hatten einen Antrag gestellt, diese Wand und den betreffenden 3. Ring mit Schwebesicherung schlagen zu dürfen. Das ich mein Projekt zusammen mit Chris-Jan vor ihnen noch beendet hatte, passte ihnen scheinbar nicht. So haben wir leider den größten sächsischen Erstbegehern der Neuzeit, diese Wand abgeluxt. Wenigsten müssen so die Ringe nicht im Jahr der Erstbegehung saniert werden. Wie man in dieser Wand eine Schwebesicherung aufbaut die nicht vom Gipfel kommt und wäre allerdings schon mal interessant.
Es gibt noch Fotos und Geschichten für einen 3. und 4. Teil geben aber im Sommer komme ich nicht zum Schreiben.
Das volle Besteck am Einstieg ausgebreitet. |
Einfach nur schön. |