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Sonntag, 9. Oktober 2022

Verdon im Herbst

Während die klassischen Routen des Verdon eher wie hier südlich ausgerichtet sind gibt es noch viele andere Sektoren auf der anderen Flusseite. 


Obwohl ich bereits im Frühjahr im Verdon war zog es mich erneut in den Grand Canyon Europas. Dieses mal war ich in Begleitung von Roby Rudolf aus der Schweiz. Unser Ziel waren die extrem überhängenden Wände die wir im Frühling gemieden hatten. In seiner einjährigen Auszeit die er vorwiegend in Spanien und Frankreich verbracht hat wurde Roby zum Spezialisten für Knieklemmer. Sobald es irgendwo ein Dach oder einen Sinter gab versuchte Roby das Knie oder den Oberschenkel dagegen zu klemmen um eine Ruheposition in den endlosen überhängen zu fi den. Manchmal war es auch nur eine kleine Hilfe beim nächsten Zug aber alles besser als kurz vor dem Stand vor Entkräftung abzutropfen.

Die linke Wand heißt Rocher du Duc und ist eine 200-300m hohe Westseite zum Begin der eigentlichen Schlucht.


Une Jolie Fleur dans une Peau de Vache 250m, 8b ( Rocher du Duc)

Das erste Ziel war die Route deren Name so viel bedeutet wie "Eine schöne Blume in einem Haufen Kuhscheiße". Das soll so etwas wie französische Poesie darstellen und ist zudem ein bekannter Song von George Brassens. Die Kletterei ist vorwiegend an Sintern und alle drei 8er Längen waren sehr ausdauerlastig. Da die Route immer wieder Querbänder aufweist sind die Stände relativ bequem wenn auch für die Seilführung und die Verständigung eher sehr schlecht. Da die Route immer wieder auf den Bändern quert hat man nach der 3. Sl zum letzten Mal die Möglichkeit abzuseilen sonst muß man aussteigen um zur Abseilpiste zu gelangen. Genau das wurde am 1. Tag extrem knapp für uns, denn das Ausbouldern unten in der Crux dauerte seine Zeit. Oben waren wir dagegen vollkommen beschäftigt einfach nur noch hoch zu kommen. Im letzten Tageslicht erreichten wir endlich wieder den Boden und es war wirklich ganz knapp denn die Abseilpiste erfolgte abseits der Kletterouten und die Abseilstellen sind nicht immer gerade nach unten und im dunklen leicht zu übersehen. Nach dem ersten Tag schmerzte unsere Haut extrem am 3. Fingerglied und in der Handfläche durch die viele scharfen Sinter.

Der Zustieg zum Rocher Duc ist mit 15 Minuten recht kurz aber geht nur mittels einem fest installierten Kletterseil.


Nach einem Ruhetag glückte der Durchstieg und auch da wurde es zeitlich wieder knapp. Zum eine, weil wir wegen Regen 1h unterm Überhang pausieren mussten, zum anderen weil die letzte Länge leider noch nicht ausgebouldert war. Mit der letzten Kraft und im letzten Licht und vom Mistral gepeitscht stiegen wir aus. Der starke Wind machte das Abseilen sehr unangenehm, war jedoch auch der einzige Grund weshalb die liegende und von Flechten dursetzte vorletzte Quergangslänge nach dem Regen überhaupt wieder getrocknet ist. So will ich mich nicht beschweren was das angeht. 

Der Baum dein Freund und Helfer wenn es um das Aufräumen der Seile am Stand vor der Crux geht.

Roby beim Versuch in der Cruxlänge.


Rechts von dem Loch geht die tolle 2. 8a-Länge mit einem tollen Sinter auf einer recht strukturarmen Wand durch.



Die Zufriedenheit nach einem Erfolg stellte sich nur langsam ein und wurde auch davon getrübt das Roby nur die Crux in Durchstieg fehlte. Nach einem Ruhetag versuchte er noch einmal. Im 4. Versuch scheiterte er extrem knapp. Mit blutenden Fingern und gepumpten armen warf er das Handtuch und wir sahen uns auch nach einem neuen Ziel um. 

Die obere Hälfter der Wand hinter Roby bildet den Hauptteil von La Ramirole.


Ultime Demence 180m, 8b ( La Ramirole)

So heist die Route die Roby als nächstes vorschlug. Wenn wir dachten die vorhergehende Route war bereits sehr überhängend dann geht es noch viel steiler. Der Sektor La Ramirole gehört mit zu den anspruchvollsten, längsten und imposantesten was es beim Sportklettern in Verdon gibt. Einige dieser Routen gehen die ca. 150m bis ganz nach oben. Die Route die wir gewählt hatten hing fast 50m über und die Kletterei war alles andere als mein Ding. Blockiges gepresse und sehr komische Hangelverschneidungen. Auch Knieklemmer gab es immer wieder. Alle Standpätze waren unangenehme Hängestände und leider brach das Sitzbrett bereits am 2. Stand. Das war mehr als unangenehm in dieser Route. Die ersten 3 Länge gingen irgendwie aber die 4. Sl und Crux war uns ein echtes Rätzel. Bei den Zügen vom Stand weg hatten wir keine Idee. Dazu kam, dass genau an dieser Stelle der Sicherungsmann und der Haulbag hing. Wir ließen die Stelle erst mal aus und was folgte war noch viel anspruchsvoller. Eine übergängende glatte Verschneidung wo man sich irgendwie hochpressen musste. Es dauerte schier endlos bis ich am 5. Haben ankam und ich konnte keine 5 Züge zusammenhängen. Die Stelle wo man die Verschneidung endlich verläßt konnte ich mir an dem Tag beim besten Willen nicht vorstellen. Wir machte aber erstmal weiter um zu sehen was kommt. Was nach der Verschneidung folgte war eine ausdauernde 8a und die 7er Platte konnte ich vor Erschöpfung kaum klettern. Irgendwie quälten wir uns auch die verbleibenden 2 Längen bis zum Ausstieg hoch. Die letzte Länge war dann eine wahre Perle mit sehr schöne Löchern. 

Die voletzte 7c Länge der Ultime Demence ist zwar steil, aber wenigstens recht kurz.

Bereits am 2. Stand brach durch das anpendeln des Nachsteigers unser Sitzbrett. In dieser Wand ist das neben dem Seil und den Kletterschuhen das wichtigste um Spaß zu haben.

Aus dem Mangel an Alternativen wurde aus dem Griffbrett ein Sitzbrett. Definitiv eine bessere Alternative als ein Hängestand.


Der 2.Tag brachte bei der 4. Sl etwas mehr Klarheit aber der Zug vom Stand Weg ging nur einmal und nur, weil wir uns für den Stand einen Meter links an einen einzelnen Haken gehangen hatten um dem Kletterer Platz zu schaffen. Ich weiß nicht ob ich die Lösung für die Stelle ohne Roby gefunden hätte. Sie war sehr ungewöhnlich und eher ein 7a Sandsteinboulder als Teil einer Kalkroute. Am 5 Haken fand ich nach langem Boulder eine Lösung, aber ich kam nicht in die Ausgangstellung für die Füße. Zum Spreizen war es zu Weit und Griffe und Tritte zogen einfach alle in die falsche Richtung. Es war einfach zu verzweifeln. Beim 2. Mal durchbouldern war die Körperspannung und die Kraft bereits komplett weg. An ein erneutes durchführen der Züge und an ein Weiterklettern war nicht zu Denken also seilten wir ab. Dies ging wegen der steilheit nur, weil wir das Haulseil am 3. Stand festgebunden hatten.

Der herbstliche Morgennebel über der Verdonschlucht sieht zwar schön aus, aber die Kalte Wand und Griffe an denen Chalk klebt ziehen die Feuchtigkeit magisch an.

Beim Abseilen vom 3. Stand reicht ein 45m Seil. Foto Andy Winterleiter

Die 3. Sl war diejenige die am besten ging.Foto Andy Winterleiter


Am Ruhetag ging ich die komplexen Bewegungen und Trittsequenzen immer wieder im Kopf durch um die Länge einzuschleifen. Aber es fehlte noch immer eine entscheidende Sequenz um in die Trittposition zu kommen. Ich hatte das Gefühl, dass all die Jahre und die Erfahrung die ich beim einprägen von Kletterzügen hatte bei dieser Route versagten. Wahrscheinlich lag es am Namen das mich immer wieder die "Ultime Demence" heimsuchte. Umso beeindruckender ist es, dass Chalotte Durif diese Länge zusammen mit der vorhergehenden 8a Länge on sight geklettert hat. Der Grad 8b+ spiegelt diese beeindruckende nicht annähernd wieder.

Der Erste und koplizierteste Teil der Cruxlänge hat sich so hartnäckig gewehrt von uns geklettert zu werden. Es sieht zwar nicht schwer aus aber leider sind weder Griffe noch Tritte so angeordnet das ich diese Sinvoll und einfach kombinieren konnte. 


Der 3. Tag war die letzte Moglichkeit die Route oder auch nur die Cruxlänge durchzusteigen. Versuchte ich noch am 2. Tag. Sl 1 und 2 als 8a+ zusammenzuhängen hatte ich am Morgen zu tun die Längen einzeln durchzusteigen. Durch die kalten Nächte hatte sich Nebel gebildet und der Fels war beschlagen. Nach ca. 2,5h waren wir wieder am Begin der 4. Länge. Aus den vorherigen Versuchen und dem schnellen ermüden bei dieser Art von Zügen schlau geworden, machte ich zum hochhängen der Exen die Züge nur einmal und konzentrierte mich auf die fehlende Sequenz diese ging ich so oft im Kopf durch um die Demenz zu verhindern. Zudem hatte ich mir am Vortag noch eine Polsterung fürs die Hose am linke Knie gebastelt die leichter war als ein Kneepad und vor allem die Beweglichkeit beim Spreizen deutlich weniger einschränkte. Nach einer Pause während Roby auch noch einmal durchboulderte machte ich mich fertig zum erste richtigen Durchstiegsversuch. Ich war aufgeregt wie ein Anfänger vor dem ersten Rotpunkt doch zum Glück stellte ich mich nicht so an.

Die letzten 2 Längen sind zwar luftig aber zum Glück nicht mehr so schwer. Die letzte Länge ist fast schon senkrecht und wäre selbst in Ceüse ein Schmankerl.


Für diejenigen, die wissen was jetzt kommt will ich es abkürzen: Alles klappte wie geplant und mit der allerletzten Kraft erreichte ich den Schüttler auf der Platte und später den Stand. Ich weiß nicht in welcher Mehrseillängenroute ich schon mal 3 Tage für den Durchstieg einer Länge gebraucht habe. Ich weiß jedoch sicher, und dabei leide ich ganz und gar nicht an Demenz, dass "Ultime Demence" von den fast 100 Multipitch Routen im 8ten Franzosengrad bisher diejenige war die mir am schwersten gefallen ist. Dementsprechend groß war auch die Freude diese Route entlich hinter mich gebracht zu haben und oben aus der Welt des vertikalen bzw. des überhängenden wieder in die horizontale Welt zurückzukehren. 


Wenig später verließen wir das herbstliche Verdon und es ging zurück Richtung Heimat. Auch freute ich mich endlich wieder einmal darauf beim Sichern mit beiden Beinen auf festen Boden zu stehen.

Auch tolle Westseiten von Sektoren Hulk, über Encastel zu Tom Et Je Ris.