Das idillische Valle Bavona auch Tal der Steine genannt (Foto Tobias Wolf) |
Saga di Valle Bavona
Wer eine Reise macht der hat was zu erzählen. So ist es auch
bei uns und es die Geschichte handelt von einer 200m hohen Wand im Tessin, welche es für uns zu bezwingen galt.
Stephan Isensee aka Issy (Foto Stephan Isensee) |
zum Klettern in die Wenden fahren wollte war uns das Wetter leider nicht hold. Der Ausweg hieß Tessin wo ich bereits 2010 das Glück hatte "Super Cyril" klettern zu können. Wir kletterten einige Reibungsplatten und als wir das Tal auf dem Weg nach Hause verließen sahen wir auf der rechten Seite bei einem Wasserkraftwerk eine über 200m hohe Wand. Beim späteren Blick in den Führer wurde diese Wand nicht einmal erwähnt war also Neuland. Ich behielt sie im Hinterkopf, denn es gab einige imposante Linien an dieser Wand.
Was ich zu dieser Zeit nicht wusste das diese Felsformation
"Gendarme de Gramüséd" heißt und das der Italiener Matteo Della
Bordell zeitgleich die erste Route an diesem Felsen eröffnete. "Il Mieto
della caverna" (Der Mythos der Grotte) ist die Vollendung eines alten
Projektes. Der Weg folgt einer sehr markanten Verschneidung welche extrem
überhängt und in Wandmitte ausläuft. Der „Mythos..“ ist mit 8a (7c obl.) bewertet
und wird nach oben moralisch immer anspruchsvoller. Sehr auffällig ist dies ab
dem Teil wo Matteo die Route übernommen hat.
Im Frühsommer gelang mir mit Issy diese Route zu
durchsteigen. Dabei wurden wir auf eine Linie von vagen Rippen und
Verschneidungen weiter links aufmerksam. Wir nutzten die seitliche Perspektive
und versuchten die vorhandenen Strukturen in Gedanken zu verbinden. Die Idee
war geboren und wir wollten so bald wie möglich wiederkommen... .
Topo von "Il mieto della caverna" (Topo und Foto Matteo della Bordella) |
Es war Anfang September als ich mich diesmal mit Kerstin,
Leopold und Issy auf den Weg ins "Valle Bavona" machte. Da das Tal
der Transumanza, kulturell und landschaftlich eine wahre Augenweide ist
vergleiche ich es gerne mit dem Auenland. Ins Valle Bavona und weiteren
Hochtälern wanderten die Transumanza mit ihren Schafherden, um die die heißen
Sommer des Tessins zu überstehen. Dabei bauten sie Natursteinhäusern die z.T.
noch heute erhalten sind. Das Tal ist mit seinen Wasserfällen und diversen
Seitentälern noch immer nahe am Urzustand. Es gibt keinen elektrischen Strom
und das Trinkwasser kommt von den klaren Bergbächen. Lediglich die Straße und
etwas Tourismus ist hinzugekommen.
Kerstin und Leopold (Foto Tobias Wolf) |
Wir reisten am Freitag spät abends an und alles war bereit am
Samstag zeitig aufzubrechen. Als der Wecker um 6 Uhr klingelte war es nicht nur
dunkel sondern es regnete auch noch. Also war abwarten angesagt, denn der
Reibungseinstieg war bei Nässe unkletterbar. Ungeduldige 3h später versuchten
wir unser Glück und schleppten das Material die 30 Min zum Einstieg. Die
Reibung war zu unserer Freude trocken und so legte ich los. Der schwarze Gneis,
welcher nur schmutzig aussah, war sauber,
griffig und gelegentlich von Grassbändern unterbrochen. Obwohl ich
versuchte zügig zu Klettern fing es noch bevor das Seil ausgestiegen war an zu
regnen. Der nasse Fels wurde eisglatt und ich beeilte mich zu einem Band unter
einem Überhang zu gelangen. Etwas feucht erreichte ich dieses und Issy quälte
sich im Nachstieg die entstandene Rutschbahn hinauf. Im trockenen sitzend aßen
wir Mittag und trotz Regen mussten wir weiter zum Glück teils überhängend.
Issy in der 3.SL von "Saga die Valle Bavona" (Foto Tobias Wolf) |
Wir waren mittlerweile in der 3.Sl weil unser Strategie war es die Standplätze erst beim abseilen mit dem verbleibenden Strom der Akkus zu bohren. So bohrte Issy in der 3.Sl seine ersten beiden Haken.
Dazu gibt es zu bemerken das Issy eine wahre Heldentat
vorlegte und die Haken die Sicherung nicht verbesserte sondern nur fehlende
Friends ersetzte. Dazu kam, dass eine sehr gruselige hohle Rippe angehangelt
werden musste mit Aufschlagsgefahr auf ein Band. Diese Länge ist zwar noch
immer die unschönste der Route, wurde aber mit 3 nachträglichen Haken
entschärft endet jedoch an einem perfekten Standplatz.
Die folgende 4.Sl ist eine kurze Verschneidung welche komplett mit Friends
abzusichern ist. Es folgt ein bockiger
Stand am Fuße einer glatten nach rechts versetzten Verschneidung. Damit hatten
wir trotz des Regens unsere persönliche Mindesthöhe für heute erreicht. Um die
verbleibende Zeit zu nutzen bohrte ich noch die ersten 3 BH der 5.Sl bis wir
unser Vorstiegsseil und ein altes 50 m Seil
als Fixseil hängen ließen und abseilten. Beim schräg abseilen rutschte
ich auf dem nassen Fels aus und ruinierte ich auch noch meine schöne Regenjacke.
Tobias Wolf in der 4.Sl von "Saga di Valle Bavona" (Foto Stephan Isensee) |
Mit gemischten Gefühlen ging es ins Tal zu Kerstin und
Leopold zurück. Einerseits waren wir froh schon einiges geschafft zu haben anderseits
waren die Längen bis jetzt ok aber nicht ganz nach dem Maßstab welcher mir
vorschwebte. Zudem waren noch viele wichtige Fragen offen auf deren Antwort wir
heute gehofft hatten. So schliefen wir mit der Hoffnung ein, dass sich das Dach
am Ende der Verschneidung überklettern läst und das es eine kletterbare
Verbindung zu den angestrebten Hangelrippen gibt.
Der
Sonntag sollte uns um einiges klüger machen. Früh ging es zeitig und ohne Regen
los. Der Akku war geladen und wir waren volle Tatendrang. Mit Steigklemmen
erreichten wir unseren letzten Stand vom Vortag. Etwa gegen 10 Uhr stieg Issy
in die Verschneidung ein an deren Ende wir auf eine Antwort hofften.
Issz in der 5.Sl der Verschneidung. (Foto Tobias Wolf) |
Vor Ungeduld mehr zu erfahren hielt ich es kaum noch am Stand aus. Leider dauert Erstbegehen länger als normales Klettern und so stieg die Spannung während der 3h ins unermessliche. Am Ende der Länge überwand Issy das Dach rechts und machte darüber Stand. Jetzt durfte ich mehr erfahren. Ich versuchte so schnell wie möglich zu klettern und stellt nebenbei fest wie genial die Felsqualität eigentlich war. Die letzten Meter zum Stand hatten es noch einmal in sich was Issy auch so lange aufgehalten hatte.
Tobias Wolf am Ende der 5.Sl (Foto Stephan Isensee) |
Tobias Wolf in der 6.Sl, (Foto Stephan Isensee) |
Inständig hoffte ich das diese nicht hohl oder lose seien und
mich gruselte vor der Vorstellung an so etwas klettern zu müssen. Es half aber alles
Bangen nichts, denn jetzt war meine Initiative gefragt.Das Material war schnell
getauscht und los ging es. Die ersten
Meter zur Rippe waren fest und die Rippe hielt. Um kein Risiko einzugehen und
einen Friend hinter die Struktur legen zu müssen bohrte ich ein Loch und schlug
einen BH. Ich muss immer wieder erstaunt feststellen, das eine Loch im Tessiner
Gneis zu bohren nur eine Frage von 10 Sekunden ist und eine Akku der Bohrmaschine
locker 20 BH schafft. (Danke noch einmal an dieser Stelle an Robert für die
Bohrmaschine) Der Weiterweg sah glatt aus und die Rippen um einiges dünner. Die
Sorge lößte sich in Luft auf, den die Rippe war fest and der Wand angewachsen
doch erstmalig wurde es sehr knapp.
Tobias Wolf in der 6.Sl (Foto Tobias Wolf mit Zeitautomatik) |
hohlen Schuppe. Sie bewegte sich zwar aber hielt problemlos. Schon erstaunlich wie elastisch dünne Schuppen aus Gneis oder Granit seien können.
Tobias Wolf in der 7.Sl (Foto Stephan Isensee) |
Bei mir angekommen übernahm Issy die Führung. Der Weiterweg
war undurchschaubar aber das Foto vom Einstieg zeigte links von unserem
Überhang eine scharfe Kante. Schrieb ich am Anfang das Issy auf Grund seiner
fehlenden Erfahrungen beim Erstbegehen langsam war, so ließ er mich jetzt wie
einen Anfänger aussehen. Wie ein Wirbelwind kletterte und bohrte er die
nächsten 35m. Noch mehr verwundert war ich, als er sagte er ist bereits ganz
oben und wir brauchen den Haulbag nicht nachziehen. Dann ist ja alles bestens
freute ich mich. Im Nachstieg genoss ich die schöne ausgesetzte messerscharfe
Kante und bewunderte Issys Leistung. Wir waren zwar oben aber noch nicht fertig.
Endlich oben. (Foto Tobias Wolf mit Zeitautomatik) |
Bei uns stellte sich langsam das Gefühl ein eine wirklich geniale Route
Erstbegangen zu haben. Deswegen entschlossen wir uns beim Abseilen noch einige
Haken nachträglich sowie die restlichen Stände zu bohren auf das viele Leute
diese Linie klettern können. Der Name stand durch schon durch die Schönheit und
die Lange Geschichte für uns fest und so nannten wir sie "Saga di Valle
Bavona".
Mit freundlicher Unterstützung von Metolius (Foto Tobias Wolf) |
Stephan Isensee in der 6.Sl (Foto Tobias Wolf mit Zeitautomatik) |
Die zwei bestehenden Routen am "Gendarme diGramüsèd" (Foto Tobias Wolf) |
(Nach Meinung von Luca Auguadri (2.Beg 06/2013) ist unsere Route 6b / 6a+ / 6c+ / 6b / 7b+ / 7c / 6b (7b! obb) mal sehen was andere denke)
Nach einem Ruhetag kletterten wir die Route Rotpunkt und
bewerteten die einzelnen Längen. Das Ergebnis ist 7c+/8a (7a obligat.)
(Foto Tobias Wolf) |
Das war das Ende unsere Geschichte aber noch nicht unseres
Urlaubs. Die verbleibenden 4 Tage nutzten wir um mit Kerstin und Leopold in ein
malerisches Hochtal zu wandern sowie die uralten Natursteinhäuser zu
besichtigen.
Zeitzeugen einer längst vergangenen Zeit (Foto Tobias Wolf) |
Kerstin und Leopold idyllischen Tessin (Foto Tobias Wolf) |
Auch Kerstin wünschte sich, dass wir nicht mehr ganz so weit
weg von ihr klettern würden. So lag das Ziel am nächsten Tag in Sichtweite vom
Auto. Die Route heißt „Profumo di Puttanone“ wo ich mir die erste
Rotpunktbegehung des Abschlußdaches mit 8a+ holte. Dies sind echt abgefahren
Züge wo ich gerne etwas größer wäre damit es etwas besser geht. Das Beste
allerdings war ein Knieklemmer an der Dachkante um darüber auf die Platte zu
gelangen. Ich verausgabte mich mal wieder im Durchstieg und viel einmal im Dach
und einmal beim letzten schweren Zug an der Dachkante. Der entscheidende
Durchstieg war dann richtig knapp. Aus diesem Grund denke ich, dass dies die
schwerste Seillänge in diesem Urlaub war.
Bergdorf mit "Profumo di Puttanone"im Hintergrund (Foto Tobias Wolf) |
Topo "Profumo di Puttanone" |
Die Verbindung von Familie und Mehrseillängenrouten (Foto Kerstin Wolf) |
Um noch näher an Kerstin und Leopold zu sein und nicht auf
den Genuss des Kletterns zu verzichten entschieden wie in Sonlerto in der „La
Scrimmia Nuda“ was so viel heißt wie „Nakte Affen“ zu klettern.
Issy in der 2.Sl von "La Srimma Nuda" (Foto Tobias Wolf) |
Dank des 50m
Zustieges waren wir selbst am Ausstieg der 200m Route nie weiter als 300m vom
Auto entfernt. Auch Leopold war mit von der Partie und machte nicht nur seinen
Mittagsschlaf am Einstieg der Route. Da sagt noch jemand, dass große Wände und
Familie nicht in Einklang zu bringen sind. Leider gibt es an der Wand nur 2
Routen und die habe ich nun beide geklettert. Als kleinen Bonus bei den Nakten
Affen gab es noch die erste freie Durchsteigung zu holen. Bisher gab es in 2
Seillängen Stellen wo der Haken durchgezogen wurde. Dank eines Tipps von Matteo
Della Bordella, dass diese Stellen frei zu klettern gehen wurde ich erst auf
die Route aufmerksam. Nach Matteo wäre jedoch in 3 Längen im achten
Franzosengrad verlangt. Deshalb stiegen wir sehr früh ein um genug Zeit zu
haben die harten Stellen zu knacken.
Die einzelnen Längen erscheinen zum Teil extrem schwer und
erst nach dem Ausbouldern was bis zu einer Stunde pro Länge dauerte fand sich
eine Variante die Durchstiegstauglich war. Meine Bewertung ist natürlich für
die leichteste Variante welche ich gefunden habe. So vorab die Warnung für
Wiederholer der erste Eindruck täuscht da die Route extrem technisch ist.
Die genialste Länge war die 6. Seillänge eine Kante mit einer
Rißspur welche sich wie eine Doppelkante klettern ließ. Als sich der Tag dem
Ende neigte hatten wir es geschafft. Gleichfalls waren wir aber so erschöpft,
dass wir den Rückweg zum Auto gerade noch schafften. Da alle bestehenden Topos
falsch sind und die Schwierigkeiten ebenso habe ich von der Wand ein neues Topo
erstellt. Anzumerken ist, dass beim Topo die letzten Stände der Super Cyril
eventuell falsch seien könnten da meine Begehung schon 2 Jahre her ist.
Tobias Wolf in der 6.Sl (Foto Stephan Isensee) |
Topo "La Srimma Nuda und Super Cyrill" (Foto und Topo Tobias Wolf) |
Obwohl wir am Abend nicht an Klettern denken konnten und
schon gar nicht an Sonne nahmen wir uns für den Folgetag die sehr inhomogene
Route „Filo A Piombo“ vor. Eigentlich in der aber es fehlten uns die
Alternativen.
Topo "Filo a piombo" (Topo Luca Auguadri) |
Laut Topo die längste Route in diesen Urlaub aber auch nicht
länger als 220m. Das Interessanteste war die Schlüssellänge die mir glücklicherweise
im o.s. gelang. Erst ein überhängender Riß der zum teil schmerzhaft war und
dann eine Hangel wo die Tritte fehlten und die Finger nicht in den Riß passten.
Eine sehr schwere 7b+ war mein empfinden. Später erfuhr ich von Matteo, das
eine Rippe abgebrochen sei und somit das Ganze nur noch für 7c/7c+ zu haben
ist. Das erklärt immerhin, warum ich die Hangel nur durch einen wilden
Schnapper noch zum Durchstieg überzeugen konnte. Als danach die Sonne in die
Wand kam, war Schluss mit lustig und selbst die Sandalen fingen an zu drücken.
Wanderfreunden sei auf jeden Fall die Wanderung ins „Val di Foioi“ zu
empfehlen. Die Natursteintreppen sind an manchen Stellen echt beeindruckend und
auch für Kletterer im Abstieg noch ein Erlebnis.
So ging der Urlaub leider zu Ende aber ich war auch etwas
geschafft und freute mich mal auf etwas anderes.
Bemerkung:
weitere Topos vom Tessin (leider nur auf italienisch) gibt es unter:
http://www.bigwall.altervista.org/Newtopos.html
Ein Topo in Englisch mit Beschreibung und Zustieg ist verfügbar./ An english topo including the approach is available under:
http://www.bigwall.altervista.org/topo/sagabavona.pdf
Ein Topo in Englisch mit Beschreibung und Zustieg ist verfügbar./ An english topo including the approach is available under:
http://www.bigwall.altervista.org/topo/sagabavona.pdf
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