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Montag, 17. August 2020

"Size matters" aka "Auf die Länge kommt es an" - Tittlis N-Wand

 

Die N-Wand des Titlis ist der Ort fürs Klettern an heißen Sommertagen.


Wer diese Überschrift ließt denkt es folgt wieder eine dieser endlosen Beschreibungen von schweren Einzelzügen die sich kein Mensch merken kann. Es will sowieso niemand wissen wie oft ich nur wenige Zentimeter zu kurz war und es am Ende gerade so klettern konnte. Da sieht man es wieder, dass ein Leben als kleiner Mensch ebend härter ist. Besonders für Kletterer unterhalb der 170 cm Schallmauer. Um es vorweg zu nehmen wäre es von Wachstum Privilegierten Menschen in dieser Situation ähnlich ergangen. Genug des Vorgeplänkels.



Nach einem langen Tag des Erstbegehens wurden alle vorhanden Seile verbunden und am höchsten Punkt fixiert. Dabei hatten wir ein altes 80 m Statikseil, ein 70 m Vorstiegsseil und ein ältere 60 m Halbseil dabei. Überschlagen waren wir ca. 200 m ins Neuland vorgedrungen und es sollte eigentlich wieder bis runter reichen. Der Wolkenbruch ging ca. 50 m vor dem Einstieg auf uns nieder und wir wollten schnell nach Abseilen. Ein prüfender Blick nach unten enthüllte das Unfassbare. Das Seilende baumelte 10 m über dem Boden mitten im Überhang. Wie kommen wir hier nur heil herunter?


Wie es dazu kam eine längere Geschichte: Der Plan 2020 war der Picos de Europa. Dann kam Corona und die Welt war eine Andere. Wie letztes Jahr im Sommer war Michael Meyer wieder mit am Start aber wir wollten uns sicherheitshalber auf die Nachbarländer Deutschlands beschränken. Da es in der Sonne selbst in den Bergen zu heiß war um zu klettern landeten wir irgendwann in der Nordwand des Tittlis. Der lange und steile Zustieg von 2,5 h führte dazu, das hier erst seit Mitte der 90er geklettert wurde. Wir fingen mit "Land ohne Herren" 7c an und der Fels war überraschend gut. Am besten war natürlich "Süpervitamin" 7b eine steile aber etwas weniger überhängende Traumtour. Beim Klettern von "Picolo Spada" 7a+ sahen wir Rechts einen mehrere hundert Meter breiten und ca. 400 m hohen Wandteil der bisher noch unbeklettert war. Da könnte man noch eine Erstbegehung machen. 


Oben rechts des breite weißen Streifens der raue Stre

Micha, vor der Großen Wand. Mit 1,68 m kommt man sich manchmal etwas klein vor. :-)


Es gab zwar einige graue Wasserstreifen aber die genaue Linie würde sich schon irgendwie ergeben. Wir stiegen am Ruhetag noch vor dem Frühstück ab um unsere mühsam heraufgeschleppten Lebensmitte zu schonen. Wir entschädigten uns mit Eierkuchen und Spagetti für den bevorstehenden Aufstieg mit 120 Bohrhaken, Bohrmaschine & 4 Akkus sowie Essen für weitere 4 Tage. Den ersten Gewitternschauer erlebten wir auf dem Parkplatz und freuten uns über das gute Timing. Das 2 Gewitter erwischte uns auf der Alpe Hofad dort suchte wir unter dem Vordach Schutz aber nach 30 Minute wolkenbruchartig regnen waren wir selbst in Regensachen nass und kalt. Wir suchten später vor dem kalten Wind Schutz auf der anderen Seite der Hütte denn alle warmen Sachen lagen oben bei uns im Zelt. Zufällig standen wir vor der Toilette, als wir von der 78jährige Bewochnerin der Alpe beim Gang zu stillen Örtchen entdeckt wurden. Sie meinte sie hätte zwar Stimmen gehört, das käme aber im Alter gelegentlich mal vor. Sie bot uns einen warmen Kaffee an aber da wir nicht aufdringlich sei wollten baten wir nur darum in der Scheune auf das Ende des Unwetters warten zu dürfen. In der Scheune war es zwar wärmer aber nach 10 min frohr ich, feucht wie ich war. Als wir erneut nach einem warme Getränk gefragt wurden, Nahmen wir dankend an. Nach vielen sehr angenehmen Unterhaltungen, verließen wir 3 h später das über 200 Jahre alte Haus und versprachen beim Abstieg wieder vorbeizuschauen. Obwohl es aufgehört hatte zu regnen kamen einige Wasserfälle aus der Wand wo wir diese nicht erwartet hatten. Ähnlich sah es in unserem Zelt aus und so waren wir bis zum Einbruch der Nacht mit dem trocknen unsere Materials beschäftigt.

Duch das Gewitter und der gewitterlastigen Vorhersage hatten wir somit auch erfahren welche Wandbereiche wir meiden sollten um nicht in eine Wasserfall mit Steinen zu geraten.

Früh am nächsten Tag ging es los. Da für Micha das bohren von unten aus der Kletterstellung neu war musste einiges erklärt werden. Der schäumende Gebirgsbach der unser Trinkwasser lieferte machte die Kommunikation sehr schwer. Deshalb bohrten wir erst mal volle 70m so das ständig Sichtkontakt bestand. Die 1. und die 3. Länge ( später 1. & 4.Sl) waren schwerer als vermutet und der Fels war überwiegend sehr gut. Micha konnte erst mal im liegenden Gelände anfangen und erst als er etwas Übung hatte wurde es bei seinem Vorstieg steiler. 

Micha bohrt seine erste und die spätere 3.SL.

Micha bohrt seine ersten haken freistehend. Da es leicht anfängt ein guter Anfang.


Als es leicht schauerte kam uns die Erfahrung vom Vortag zu Gute, da die gewählte Linie leicht überhing. Nur am Ende der 4. Länge musste Micha 30 Minuten warten bis die Reibung abtrocknete. Dennoch war der feuchte Fels wie Schmierseife und Michas Hakenabstände waren beachtlich. Als Michas Stand gebohrt war seilte er am Einzelstrang des Halbseils ab. Das Habseil hatte schon gute Gebrauchsspuren so das wir dabei mit dem Vorstiegsseil hintersicherten. Auch am Folgetag war das beim Aufstieg der Plan weshalb das dünnste Seil ganz oben verwendet wurde. Allein schon die Vorstellung an 7,8 mm Nylon freihängend hochzujümarn wo das Seil immer wieder rhythmisch über eine Kante scheuert war gruselig. Ganz zu schweigen von etlichen schlechten Stellen. Aber deswegen würden wir ja beim Aufsteigen mit dem Vollseil hintersichern und gelegentlich einen Haken einhängen. Aber das war jetzt erst einmal egal. Da wir einfach abseilten gab es auch nicht das Problem, das sich das Seil beim Abziehen verhängt und wir die Länge noch einmal Vorsteigen müssten. Deswegen ließen wir fast alle Expresschlingen sowie Bohrmaschine & Akkus, letztere wasserdicht verpackt am vorletzen Stand hängen. Lediglich die Steigklemmen mit Trittschlingen und 4 Expressen zum Befestigen der Seile hatten wir dabei. Zu spät merkte ich das ich noch meine Bandschlinge und eine Keflar am Gurt hatte die man am nächsten Tag wieder Sinnlos mit nach oben schleppen müsste.Als ich alle Seile aufgebraucht waren und ich an dem alten Statikseil abseilte, ging das Gewitter los. Also nichts wie runter mit uns. Da die 1. Länge überhängt waren wir am Einstieg geschützt. Ein prüfender Blick beim Abseilen nach unten enthüllte das Unfassbare. Das Seilende baumelte 10 m über dem Boden mitten im Überhang. Wie kommen wir hier nur heil herunter? Die Kommunikation war unmöglich, weil die 2. Länge stark liegt und der Gebirgsbach alles übertönte. Der prasselnde Regen machte das Denken auch nicht einfacher. So pendelte ich erst einmal in den Überhang zu einem unserer Borhhaken und wartete das Micha ins trockene geseilt kam dort könnten wir dann in Ruhe überlegen. Als wir so dort hingen fühlte ich mich erbärmlich. In 35 Jahren klettern ist mir so etwas noch nie passiert. Jetzt konnte ich nachempfinden wie es damals beim Versuch der Erstbegehung der Eiger Nordwand war. Auch da war das Abseilseil zu kurz. Wir würden sicherlich nicht erfrieren aber um Heil herunterzukommen müssten wir beide 200 m an den Fixseilen Aufsteigen um dies weiter unten zu fixieren. Das würde mindestens 2h dauern und erholt waren wir nicht gerade. Alternativ prüften wir unser Material. Es waren 3 Expresschlingen übrig & 2 Bandschlingen, mit den Keflar die ich am Gurt hatte und mit Michas 4 mm Chalkbag Schlinge sowie unseren dünne Brusikschlingen fehlten nur noch 2 m. Die Trittschlingen der Steigklemmen brachten die Wendung. Das Konstrukt aus den unterschiedlichsten Materialien reichte bis zum Boden. Nur wie runterkommen? Teilweise war das Schlingenmaterial nur 4 mm stark und es gab immer wieder Konten? Abseilen ging nicht und selbst beim Dülvern ist es fraglich ob man eine 4 mm Schlinge festhalten könnte. Die Idee kam von Micha, das wir ca. alle 1 m Abstand einen Karabiner in die Repschnur knüpfen damit wir an diesem Sitzen und den nächsten Zug überlegen könnten. Gesagt getan und als alle Einzelzüge, jeder anders, gemeistert waren stand ich auf sicherem Boden. Der Rucksack wurde an der Perlenkette herabgelassen und Micha musste die gleich skurile Zugfolge zum Boden klettern.

Die letzten 10 m bis zum Boden wurden mit allem überbrückt was wir hatten. Das war echt gruselig.


Puh das war echt ein Akt. 10 m abseilen dauert selte länger als 1 Minute. Wir waren über eine Stunde beschäftigt und unsere Nerven arg strapaziert.


Am Folgetag ging es noch mal 1,5 h eher los um die Route bis oben fertig zu bohren. Der Fels wurde sogar noch besser, es blieb weiterhin steil. Zudem wurde es in der letzte Seillänge noch mal sehr schwer.Unsere Route verläuft in der Headwall, rechts eines markanten weißen Streifens. Wir haben unsere Linie immer so neben einem Wasserstreifen gewählt, das sie schnell abtrocknet und auch bei leichter Feuchtigkeit noch kletterbar ist. Da die letzte Länge die Crux ist gibt es eine Gerade Variante 8a und eine 5 m Rechtsschleife für 7c. Beide Varianten haben einen separate Haken. Die betrifft den vorletzten Haken im Der Länge. Beim Abseilen setzten wir noch einige Nachträgliche Haken und bohrten die finalen Stände.

10 min nach beginn des Gewitters, war fast jeder graue streifen ein Wasserfall. Wer dann in der Fallinue hängt hat ein großes Problem.

Links unserer Linie kam 30 Min später ein Wasserfall aus der Mitte der Wand. Bei Karstgestein sammelt sich das wasser in unterirdischen Kavernen, ehe es irgendwo aus der wand bricht. Gut, das wir an dem loch nicht vorbeigeklettert sind


Zwei Tage verbrachten wir bei Regen im Zelt. Zeitweise drückte der Sturm unser Zelt zu Boden. Dank undichter Nähte war es innen teils genauso  nass wie draußen. Am 3. Tag regnette es nicht mehr aber es war kühl und windstill. Alle Touren waren nass und bei unserer war besonders die 1.Länge. Gegen 12:00 Uhr stiegen wir trotz Nässe ein denn unser Essen ging lansam zur Neige. Bis zur Cruxlänge war es sonst recht trocken. Die wenigen nassen Griffe waren zum Glück groß. Nachdem ich beide Varianten durchgestiegen bin kam noch mal kurz die Abendsonne in die letzte Länge und gratulierte zu unserer schönen Neutour.


Die 4. Sl ist in der Mitte etwas Boulderlastig und am Ende anstrengend.

Die 8. Sl, wieder einmal toller Fels mit Blick auf die Crux rechts des nassen Streifens.

Endlich geschaft. Hier nach dem Durchstieg der Direktvariante. Die 7c quert ohne den BH der 8a rechts bis zum gelben Fels und hat dort einen eigenen BH.


Das wir 9 Längen in so tollem Fels erstbegehen durften ist wahrlich ein Glücklicher Zufall.Wir hoffen, das die Wiederholer genauso viel Freude haben und freuen uns über ein Feedback.

Topo "Size matters" 7c/8aTopo Size matters, Titlis N-Wand.



Übersicht Titlis N-Wand mit Fehlern. 


Fazit zu Seilen: Seile werden durch Gebrauch, Alterung und vor allem durch Trockenheit kürzer. Dies wurde mir auch schon vom Hersteller bestätigt. Deshalb sollte die Länge des Seiles (auch ohne Abschneiden) nie als statische Größe betrachtet werden.

Man erkennt kaum, das dies 2013 mal ein 200m Seil war. Bei dieser starken Verkürzung war allerdings ein Messer beteiligt.



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