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Mittwoch, 21. Mai 2025

Neutour in Verdon, Mingus

Dier Verdonschlucht, einer der größten Canyons in Europa



Wir dachten das schwerste liegt bereits hinter uns. Die Haut schmerzte höllisch und die Züge wollen nicht gelingen. Die Unterarme sind schon im roten Bereich. Noch diese eine Seillänge und die Wand legt sich endlich zurück. Am Morgen war die Reibung darüber vom Regen der Nacht noch nass, aber das sollte langsam abgetrocknet sein. Der 3. Tag harter Arbeit neigte sich dem Ende und heute sollte der Tag der Ernte sein. So dachten wir... bis sich die Schleusen des Himmel öffneten. Als es nach 20 Minute auch noch anfing zu Hageln löste sich ein Schrei der Frustration aus meiner Kehle. Ich konnte es einfach nicht fassen.


Jetz mal von Vorne.
Stephan Isensee und ich hatten endlich mal wieder Zeit gefunden gemeinsam Zeit in der Wand zu verbringen.
Das Ziel war im Verdon eine neue Route einzubohren, Durchzusteigen und dann noch so viel wie möglich andere routen Klettern um die Einstufung deer Route vor Ort zu vergleichen. 

Die Anreise



Das war der Plan, leider hatten wir diesen ohne das Wetter gemacht. Als wir Nachmittags im Verdon ankamen, waren wir wie gerädert von der langen Fahrt und übernächtigt von der kurzen Nacht. Auch sahen die vielen Sinterrouten auf der anderen Talseite nasser aus als ich es je erlebt hatte. Dennoch wollten wir eine Plattenroute zum Einklettern machen bevor wir mit Bohren anfingen. Und heute war einer der wenigen Tage ohne Regen in der Vorhersage. Also Abseilen und los, so war der Plan. Leider ist das finden der Route von oben nicht immer leicht. Als wir endlich unsere abgelegene Route gefunde hatten gab es nur noch diesen einen Weg aus dieser Wand nach oben. Ins Tal Abseilen war wegen der fehlenden Abseilpiste und den Überhängen unter uns keine Option. Wenig später wünschten wir uns einen Überhang über uns, denn es fing an zu regnen. So durften wir 5 nasse Plattenlängen nach oben klettern um der Wand zu entfliehen. Kein guter Start aber wir lernten das nasser Kalk immerhin noch etwas Reibung besitz.
Beim Abseilen zur Warmkletteroute. Ab jetzt gibt es keinen anderen Weg mehr nach oben außer die gewählte Route.

Die erste Länge hielt das Wetter noch, dann war Schwimmen nach oben angesagt.

Neutour in L'Estellier

Am nächsten Tag ging es bereits ans Bohren. Fast 4 Längen schafften wir am 1. Tag den Rest der Route bohrten wir am nächsten Tag ein. Entweder früh oder abends regnete es aber irgendwie ging das schon, besonders in den steilen Längen. Zum Glück waren die wichtigen Griffe trocken, mehr kann man sich nicht wünschen. Vom Klettern und Bohren völlig erschöpft freuten wir uns auf den ersten Ruhetag. Wir konnte alle Einzelzüge der Erstbegehung klettern, wenn auch nur gerade so. Dennoch waren wir erst mal froh, dass es gerade genug Griffe gab um die gesamte 220 m Wand von oben bis unten zu Klettern. Die Linie hatte ich im Jahr zuvor gefunden und sie verläuft parallel zu "Arbre magique de rêve" 8a+ (Traumzauberbaum) einer Route die Chris-Jan und ich 2022 im Sektor erstbegangen hatten.


Ganz schön nass die Wand, besonders unter den Überhängen
Die geplante Kletterlinie. Die Stände und ob es komplett frei geht war noch ungewiss.


Die Wand ist so steil das Abseilen ohne Haken nur schwer möglich ist. Der Abstieg zu Fuß dauert jedoch 45 Minuten deswegen seilten wir von oben rein. 


Loup e(s)t ici 220m, 7Sl (7b, 6c+,8a, 8a+, 7c, 6b, 6b+)

Heute war der Tag der Ernte also des geplanten Durchstieges. Da es am Vorabend geregnet hatte waren die oberen 2 Seillängen und die Fixseile nass, aber das würde sich bis zum Nachmittag sicher noch ändern. Nur das Abseilen zum Einstieg war an den nassen Seilen sehr sehr unangenehm.

Die 1. Sl (7b, 40m, 14 BH) war leidlich trocken aber es zeigte sich schnell, wie die erste Länge zu diesen tollen Tropflöchern in der grauen glatten Plagekommen ist. Genau an den Stellen wo die Tropflöcher die glatte und graue Platte kletterbar machten tropftes es regelmäßig aus dem Überhang. Dies machte diese Länge im Durchstieg recht anspruchsvoll. Zudem kamen wir beide zu einem heftigen Kaltpump gleich am Morgen.

Die 1. Sl von oben gesehen, tolle Tropflochkletterei und einen kleinen Boulder am Ende.

Wenn die Wberhänge oben nass sind, weiß man wie die Tropflöcher unten entstanden sind.



Die 2. Sl (6c+, 40m, 11BH) ist die leichteste im unteren Teil. Bis auf eine schwere Stelle am 4.BH ist es ein angenehmes Steigen zu einem bequemen Standplatz auf einem Band.
Die 2.Sl ist erstaulich gängig und sauber für die Neigung.




Die 3. Sl (8a, 20m, 10BH) ist der Anfang der Crux und schlängelt sich durch die Schwachstellen des Überhanges. Hier war das finden einer kletterbaren Linie anfänglich das größte Problem. Über dem 4. BH gibt es eine Untergriffrippe die man nur am rechten oberen Ende greifen sollte!

Nach einem kleinen Querband wird es mit jedem Zug schwerer. Das Ganze gipfelt in der Schlüsselstelle. Von einer Leiste mit rechts zieht man weit links hoch zu einer schlechten Zange. Mit schlechten Tritten muss der rechte Fuß auf die Leiste wo gerade eben noch die rechte Hand war. Von dort schnappt man 1,4 m nach oben auf eine Leiste am Ende des Sinters. Beim Einbohren glückte der Zug bei 10 Versuchen nur 2 oder 3 mal. Besonders das Aufhocken mit rechts war immer irgendwie anders. Nach erneutem Ausbouldern fand ich ein paar kleine Details welche die Erfolgsquote auf 5 von 10 Versuchen erhöhte. Das reichte aus um im Durchstieg gerade so hängen zu bleiben. So kletterte ich zufrieden aber etwas keuchend zum nächsten Stand. Zum Gück wächst hier ein Baum aus der Wand so das man zum stehen kommt. 

Zwei Bohrer gingen bei dem Projekt in die ewigen Jagdgründe ein. Das blöde daran war alle beide in einem Loch. Wenn also mal der Bohrer kaput geht am besten ein neues Loch bog´hren sonst gibt es zwei stumpfe Bohrer.



Die 4. Sl (8a+, 25m, 8BH)
Der Wetterbericht war für den Folgetag wieder schlecht angesagt. Wenn wir nicht heute durchsteigen gab es vielleicht keine weitere Gelegenheit, oder wir mussten den ganzen Urlaub ausschließlich mit der Neutour verbringen. Kein Wunder das der Druck am heutigen Tag sehr groß war. Dank des Baumes zu unseren Füßen war es kein Hängestand. Um zu vermeiden, dass der Vorsteiger auf den Baum stürzt ist der erste Haken so gebohrt das man ihn vom Standplatz aus vorclippen kann. Die ersten Meter im Linksbogen sind etwas trickreich aber erst ab dem 3. BH wird es schwer. Weite Züge an Seit- und Untergriffen die es schwer machen lange genug innezuhalten um das Seil in die Expresschlinge einzuhängen. Zum Ende der Sl wird es zum Glück wieder leichter. Die Länge endet an einem Stand der etwas unbequemer ist als alle anderen. Erst im 3. Versuch glückte der Durchstieg weshalb ich eine Grad schwerer Vorschlug als die vorhergehende Länge.



Die 2. Cruxlänge sind atletische Züge zu einem Dach und darüber hinweg.




5.Sl (7c, 25m, 9BH)
Issy boulderte die Länge als erstes durch. Als ich an der Reihe war fing es, wie am Anfang des Post beschrieben, plötzlich an zu schütten. Resigniert kehrte ich zum Stand zurück. Die Hoffnung die Neutour an diesem Tag noch beenden zu können löste zerbröckelte langsam, als es nach einer kurzen Regenpause anfing zu hageln.
Wir nutzten die Zeit um in der vorhergehenden Länge einen nachträglichen Haken zu setzen und ein paar Riegel zu Essen. Eigentlich nur, weil wir nicht nass werden wollten warteten wir länger als nötig am Stand.
Als ich nach ca. 1h noch einmal in die Länge einstieg, waren die Griffe erstaunlicherweise trocken genug um sie zu Klettern und durchzusteigen. Juhu wir waren also weiterhin auf der Zielgraden. Wie der Fels so schnell trocknen konnte ist mir zwar ein Rätsel aber wahrscheinlich gab es in der Schlucht eine leichte kaum spührbare Luftbewegung die den Fels so schnell abtrocknen lässt.
 

Auch bei der 5. Sl war uns das Glück hold und es gab genug Griffe um durch die Wand Klettern zu können. Bei dere Neigung ist das in Verdon nicht selbstverständlich, da gibt es auch vollig glatte Wandzonen.



6.Sl (6b, 30m, 10BH)
Von einem guten Band geht es über verschiedene steile Wandstücken nach oben. Der Fels um die ersten 3 BH war zwar klatschnass, aber zum Glück war es rau genug um auch bei den Bedingungen kletterbar zu sein. Zum Glück, denn so gibt es vielleicht doch noch ein Happy End.

7.Sl (6b+, 30m, 7BH)
Steil genug, dass etwas Regen nicht störte. Anfangs etwas reibig in der Mitte steil und oben senkrecht. Ein schöner Abschluß mit gutem Fels.

Der Ausstieg, Der Anfang und das Ende unserer Neutour.


Vom Ausstieg  (N 43° 44.527', E 006° 20.316) sind es weniger als 5 Minuten zu einer Parkbucht flußabwärts.
So war nach 3 Tagen in der Wand die Geschichte unserer Neutour zu Ende.


Noch etwas zum Namen "Loup e(s)t ici". Da die Franzosen Freunde von Wortspielen sind hatte Stephan Aka Issy die Idee zu einem Wortspiel mit unseren Namen. So kann es zum einen heißen "Der Wolf ist hier" zum anderen vom Klang her auch "Der Wolf & Issy"

Bevor wir uns bei den Schwierigkeigsgraden festlegen wollten mussten wir noch mindestens eine Referenzroute für die Einstufung Klettern die ja in jedem Gebiet etwas anders ist.


Topo Louo e(s)t Ici 8a+,

Juhu Fertig! und alle Seile abgebaut. Zum Glück ist es nicht weit bis zum Auto.

Morgens trügerisch schönes Wetter aber gut zum Seile trocknen.

Und endlich mal frisches Baguet und Lavendelhonig aus "Trigance" zum Frühstück in der Sonne.

Mingus 8a (12 Sl, 300m) 

Das Wetter blieb durchwachsen und wir benötigten erst mal 1-2 Tage Ruhe. Zum einen um uns von den Strapazen der Erstbegehung zu erholen als auch um wieder etwas Haut auf unseren Fingern wachsen zu lassen. Leider ist das Klettern von nassen Seillängen sehr hautintensiv. 

Der Morgen graut und es geht endlich los, ein bischen aufgeregt waren wir schon vorher. Imterhin ist die Mingus alles andere als eine Plasirroute.


Der frühe Vogel fängt den Wurm



Ab hier geht es richtig los. Wenn man in der Mingus gelben Fels sieht fühlt man sich wie in den Dolomiten


Uns blieben noch 2 Klettertage im Verdon und nur einer war nach Wetterbericht niederschlagsfrei. So überlegten wir, was als Ziele in Frage kommen könnte. Ich war für schattige oder kürzere Ziele, Issy war Feuer und Flamme für die Mingus einer der längsten Routen im Verdon. Mingus interessierte mich auch, aber die vielen schweren Plattenlängen sollte man bei kühlem Wetter und idealerweise bewölktem Wetter angehen. Leider waren 20 °C und den ganzen Tag Sonne angesagt. Die Südseite in der Verdonschlucht heizt sich in der Sonne so stark auf das man selbst im Winter bei windstille im T-Shirt klettern könnte.
Naja, wir stiegen gegen jede Logik ein obwohl es hieß das die Schlüssellänge sehr kühle Bedingungen und gute Haut benötigen würde. Als Plan B hatten wir das Portaledge dabei um uns notfalls vor der Sonne verstecken zu können. 


Da das Abseilen länger dauerte als gedacht stiegen wir erst 7:30 Uhr am Wandfuß ein. Die Felsqualität wechselte immer wieder von brüchig bzw. gelb zu bombenfest bzw. grau. Bereits die 3. SL war die Crux aber es war trozdem schon recht warm. Ich gab zwar einen on sight Versuch, scheiterte aber an der ersten Boulderstelle wo man am Ende einer Untergriffhangel mit kleinen Griffen und winzigen Tritten über ein kleines Dach Klettern muss. Danach folgen die abgefahrensten Strukturen die ich im Kalk gesehen habe. Kleine Leisten so scharf und auch so dick wie Rasierklingen stehen wenige Millimeter schräg aus der Wand und man muss sich daran festhalten. Da die Tritte ebenso winzig aber nicht so großflächig sind und die Strukturen immer wieder von Querstegen unterbrochen sind ist extrem viel Last auf den Fingern. Bei der Wärme lösten sich meine Fingerspitzen bei wenigen versuchen langsam aber sicher auf. Auch die Füße schmerzten höllisch in den guten Schuhen doch diese waren zwingend erforderlich. Zum Glück konnte ich im 2. Versuch durchsteigen, denn bei den Bedingungen machte es wenig Spaß. Jetzt könnte man meinen, die Route sei in der Tasche. Weit gefehlt, denn es folgten noch weitere 9 Seillängen. Nur eine war 6c diese hatte auf 40m nur 6 Bohrhaken und war noch dazu recht brüchig. Der Rest waren französische 7er- Längen und 5 davon waren 7b+. Also ging der Kampf jetzt erst richtig los. Je höher wir kamen umso mehr schmerzten die Füße und die Finger doch wir machten weiter.

 

Bei der 40m langen Cruxlänge geht es schnell heftig zur Sache und der Fels ist ab dem 5. BH so scharf das man sehr gute Haut und enge Schuhe benötigt.
Nach der Crux heißt es jede Länge dranbleiben. Hier in der 8. Sl mal was anderes als Tropflöcher.
Die 9. Sl wird ausnamsweise mal nach öben leichter.

Vor der 10. Sl empfängt einen der bequemste Stand der ganzen Route. Zwischen 2 großen Löchern kann man sich fast Seilfrei bewegen.
Die 10. Sl ist technisch und unübersichtlich. Umso mehr freute ich mich trotz schwindender Kraft über das On Sight.





Juhu, endlich oben. Hut ab vor jedem der  die Mingus geschafft hat.



Für Aspiranten der Mingus sei ein Sitzbrett empfohlen, denn die meisten Stände sind sehr ungequem.

Wir waren froh das die Route erst kürzlich saniert wurde und die fast 40 Jahre alten 8mm Bohrhaken durch 12mm BH ersetzt worden waren. Deswegen ist die Route noch immer abenteuerlich (7a+ obligatorisch) aber entspricht jetzt eher dem Zustand nach der Erstbegehung als mit den Rostgurken.
Bemerkenswert ist das die erste RP der Route 1994 von Lynn Hill in einer on sight Begehung erfolgte als sie für die Eintages-Begehung der Nose trainierte. Eine unvorstellbare Leistung.

12h nachdem wir eingestiegen waren standen wir wieder glücklich und geschafft am Ausstieg und auf dem Zahnfleich kriechend habe ich auch noch die letzte 7B+ im on sight geschafft. So ging die ganze Route im o.s. bzw flash bis auf die Crux welche ich im 2.Versuch klettern konnte. Wir waren mit dieser Leistung zufrieden und unsere Füße wollten die nächsten 36h keine Kletterschuhe mehr sehen.

So nahmen wir am nächsten Morgen Abschied vom Verdon, aber wir kommen wieder.

Nachdem uns so viele Geier in der Wand begleitet hatten in der Hoffnung das wir ihr Abendessen werden, wollten wir zum Spaß sehen ob sie unsere Salami richen konnten.

Leider hatten die Geier schon Feierabend und kamen erst am nächsten Tag. Oder sie bekommen so spät am Abend keine Starterlaubnis mehr.



 

Bis zum nächsten Mal in Verdon




















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