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Freitag, 29. August 2025

100. Erstbegehung von unten

 

Bernd Großer in "Baatzillus Spiller " RP 10b

Letzte Wochenende hatte ich das Glück meine hundertste Erstbegehung zu beenden.

Wir haben die Route an der Feiertagswand (Sváteční stěna) im Kamnitzgrund "Baatzillus Spiller" getauft und mit 10a RP 10b bewertet.
Der Name kommt von den beteiligten Personen an diesem Jubiläum. Bernd Großer aka "Baatzillus" und Chris Jan Stiller der nicht nur unsere handwerklichen Misgeschicke ausgemerzt hat, der König des Skyhooks ist, die bequemsten Schuhe in schweren Längen trägt, eine unglaubliche Geduld hat, mit Bohrmaschine auf dem Rücken einfach alles Klettern kann und der auch mal eine lose Rippe mit Spillen vor dem abbrechen sicher macht.
Welche seiner hervorragenden Fähigkeiten beim Jubiläum eingesetzt wurde kann der aufmerksame Leser vom Namen ableiten.


Wie auch bei den vorhergehenden Routen wird ein sehr vielseitiges Programm geboten: Weite Züge, Leisten, Löcher, Untergriffe und Reibungstritte geben sich gegenseitig die Klinke in die Hand. Oben gibt es nach der ganzen schöne old-school-Kletterei ein sehr modernes Ende. Mangelnde Körpergröße und Armspanne muss mittels eines Toehooks zu einem schlechten Aufleger gezogen werden. So was gibt es heute fast in jeder Boulderhalle aber in einer senkrechten Wand selten.
Alles in allem eine gute 100. Erstbegehung die mitlerweile auch von Kletteren aus Böhmen wiederholt und nicht abgestuft wurde.


Zudem spiegelt sie auch die 99 vorangegangen Erstbegehungen wieder. Ich war nie ein Freund der Masse was Erstbegehungen es angeht es hat sich halt so ergeben. Ich war eigentlich immer auf der Suche nach was richtig schweren zum Klettern. So sind nur 10 Routen im 9ten Sachsengrad dabei der Rest sind 10er oder 11er geworden. Lediglich 2 Mal ging die geplante Route nicht zu Klettern und 4 mal haben wir die Haken wieder entfernt, weil das Gestein und/oder die Kletterei unseren Ansprüchen nicht gerecht wurde. Dabei betone ich gerne, dass wir immer versucht haben mit einem notwendigem Minimum an Haken das beste Klettererlebnis aus der Wand zu holen. Nicht irgendwie auf Krampf unlogische Hakenabstände vorzulegen damit die Nachwelt uns bewundern kann. Meiner Meinung nach geht es beim Erstbegehen darum ein schönes Gesamtkunstwerk zu hinterlassen was den Kletterern Freude bereitet. Ein Lob des Wiederholers ist eine gute Belohnung für die Mühen und Kosten.

Bei den 100 Neutouren wurdenbinsgesamt über 200 Seillängen erschlossen und mehr als 2000 Bohrhaken & Ringe sind dabei in die Wand gefahren. Die längste Route war 16 Seillängen bzw. 650 m lang, die kürzeste ist nicht einmal 30m. Am häufigsten musste ich zum Frienstein gehen um "Herr der Ringe" einzubohren und RP zu Klettern. Mal sehen wie viele Routen noch folgen werden, es ist jedoch immer wieder ein unglaubliches Glücksgefühl wenn beim Erobern einer neuen Route von unten ausreichen Griffe und Tritte zum Hochklettern vorhanden sind.


Wärend der letzen 100 Neutouren wurde ich von viele Freunden begleitet und unterstützt. An dieser Stelle noch einmal vielen Dank an alle beteiligten für die viele positive Energie.
Hier nur ein paar namentlich genannt:
 
Chris-Jan Stiller, Thomas Küntscher, Michael Meyer, Kerstin Wolf, Robert Hohlfeld, Robert Leistner, Stephan Isensee aka Isee, Uwe Richter, Jens Manka, Michael Scharnweber, Bernd Großer aka Baatz, Rüdiger Helling, Martin Pötschke, Phillip Popitz, Georg Fürst, Sven Martin, Julian Schreiber, Tillmann Walter, Thomas Hering und viele andere.

Die Idee der Route kam von Baatz.

Endlich Klettern? Denkste am Tag wo die Hake gebohrt wurden war ich mehr mit Putzen und runterfallen als mit Klettern beschäftigt. In dem Fall ist von unten Erstbegehen mehr als doppelt so anstrengend wie sonst.

Fast immer dabei. Chris-Jan Stiller stand mir entweder mit Taten oder mit einem guten Rat zur Seite. Außerdem hat er mir gezeigt wie wichtig kleine Details sind.


Montag, 7. Juli 2025

Mjöllnir, Neutour am Hägefjell

Hægefjell das Juwel der Telemark Region


Ich stehe zitternd an der Wand und weiß nicht wo ich lang klettern soll. Links bei der Rippe gibt es keine Tritte und der Riß ist geschlossen. Also versuche ich mein Glück auf der Wand weiter rechts. Zug um Zug steige ich weiter. Das Zittern kommt mehr von der Kälte als vor Angst. Dazu der böige Wind oder besser gesagt die orkanartigen Böen. Beim Ansetzen der Bohrmaschine biete ich dem Wind noch mehr Angriffsfläche. Das macht das Ganze echt brenzlig. Ich versuchte die Böen abzuwarten aber 2 Fehlversuche waren trotzdem dabei. Beim 3. Mal klappte es. Zwischendurch musste ich mich einmal am Bohrer festhalten um nicht aus der Wand zu kippen. Irgendwann war der Haken drin und das Spiel ging von vorne los.


Wo sind wir eigendlich? Wir befinden uns am Hægefjell in der Telemark Region von Norwegen. 


Vor 2 Jahren bereits konnten Michael Meyer & ich hier mit "Vinland Saga" ein altes Projekt von Ralf Reißig vollenden. (<https://kayakandclimb.blogspot.com/2023/07/vinland-saga-klettern-am-hgefjell-in.html>)

Das Ziel dieses Besuches war die glatte und kletterwegfreie Zone zwischen "Hägar" und "Treasure Island".

Zwischen den 2 Wasserstreifen ist die von uns geplante Route.


Ist in diesem Wandbereich eine Freikletteroute möglich? Kann man diese von unten erstbegehen? Bei unserem letzten Besuch 2023 habe ich viele Fotos von dem Wandbereich gemacht, die so gut wie möglich die Wandstrukturen erkennen lassen, um eine eventuell mögliche Routenfühung zu finden. Bei einer 400m Wand kann an jedoch nur erahnen, was für Schwierigkeiten auf uns zukommen aber die Fantasie wurde beflügelt und die Vorfreude stieg ins unermessliche.

Noch geschafft von der langen Fahrt ging es sehr schnell zur Sache. Der Wetterbericht war sagte 4 Tage regenfrei voraus.Also mussten wir schnell mit dem Projekt anfangen. Nach fast 30h Fahrt ging es am Folgetag übermüdet nach dem Familienpaddeln zum Einklettern.

Ein weiterer Tag für die Familie und somit ein Ruhetag für die Füße und es konnte losgehen.

Voll beladen ging es zur Wand

Das Hægefjell vom Parkplatz aus gesehen. unsere Route is ca. 10-15 Min weiter links.


2 Tage blieben uns die Route einzubohren bevor 3-4 Tage Regen dem Klettern am Hægefjell eine Zwangspause verordnen würde. Dazu sollte ich erwähnen, das es sich am Half Dome von Norwegen vorwiegend um liegende Wände handelt, also meist weniger als senkrecht. Das Klettern hier ist bei feuchtem Fels deutlich schwerer bis unmöglich. Mitunter läuft es mehrere Tagen nach Regen aus den Bändern und Rissspuren die Wand herunter.


Der erste Tag an unserem Projekt startete spät und anders als gedacht. Um 6:00 Uhr nieselt es noch auf dem Zeltplatz am Nisser. Also noch 1h Weiterschlafen. Der schnelle Start verzögerte sich weiter, weil wir einen Zustiegspfad zu zeitig abbiegen und voll beladen mit Seilen, Bohrmaschine & Haken, Akkus, Friends & Keilen an der Wand entlang stolpern. Durch das nasse Gras waren die Schuhe sowie die Hosen bis zum Knie durchgeweicht. Es ging zum Glück etwas Wind und somit trocknete der Fels schnell ab.Die Sonne scheint und es wird angenehm warm.So etwas waren wir vom Hæhefjell bisher nicht gewohnt. Da wir wegen einer 10m hohen Steilstufe am Wandfuß den oberen Wandteil nicht sehen konnten liefen wir erst mal 200m zu weit. Also alles Material wieder zurückgeschleppt. Gegen 10:00 Uhr, also für meinen Geschmack zu spät, ging es endlich ans Klettern. Zum Glück ging das Klettern dann besser als der Zustieg, vom kleinen Angriff der Wespen, die irgendwo im Felsen nisten, einmal abgesehen.Die ersten 10m waren etwas bröselig aber 2 Bohrhaken (BH) sicherten dies gut ab.



 Danach war die Felsqualität der Traum. Fester Granit und die tollsten Strukturen die man sich wünschen kann. Leisten, Rippen und gelegentlich ein Loch. Manchmal glatt wie Glas und ein anderes mal schön rau, aber immer genug um höher zu gelangen. Es war wie ein Tanz auf der Reibungsplatte und dank der Bohrmaschine auf dem Rücken könnte man wenn nötig einen Haken setzen. So ging es zügig voran. 



Endlich geht es los ich darf Bohen. Die 3.Sl

Toller fester Fels und massenweise gute Tritte.  Da macht das Bohren aus der Kletterstellung Spaß.


Am 4. Standplatz gab es ein größeres Band. Nach einer tollen Reibungsstelle spaltete ein 15 m Riß die glatte Wand. Ein Geschenk der Natur an uns. Dank vieler Friends wieder ein gut gesicherte Länge mit nur 3 BH.Die Zuversicht steigt, da wir sehr gut vorankommen.Aber die nächste Wandzone sieht sehr glatt aus.

Der Begin der 4. Sl

Micha am 3. Stand

Ich am 5. Stand.

Der Riß der 5. Länge sowie Rollbrett un Micha in Aktion

Die nächsten beiden Längen waren da schon ein anderes Kalliber. Die kompakte Wand machte das Lesen der Strukturen schwerer und so war ein kleiner Linksbogen nötig um in kletterbares Terrain zu kommen.



Der 2. Haken der 6. Sl wird von Micha gebohrt. Da Kerstin mit dem Fahrrad unterwegs war gibt es auch Bilder aus dem Tal.

Der kleine 3 Quergang der 6. Sl


 Es wurde aber nicht leichter sondern es blieb die ganze Zeit anspruchsvoll. Entweder es gab Tritte oder Griffe, aber nie beides. Das stehen auf winzigen Tritten und das Bohrem der Haken aus der Kletterstellung ist für die Füsse und Waden eine kleine Tortur. Dreimal helfen Slyhooks bei Bohren auf der steilen Platte. Dies zermürbte Micha zusehends und er kämpfe sich Haken um Haken nach oben. Es blieb spannend bis zum Schluß. Ich fieberte bei jedem Haken mit Micha bis endlich das Seil eingehängt werden konnte. Diese 6. Sl wurde eine richtige Ausdauerlänge und sollte die 2. Crux werden. Die 7. Seillänge sieht komplett unmöglich aus, weshalb wir auch kurz an der Machbarkeit zweifelten. Ich war schon dabei einen Rechtsbogen zu anzusetzen, als mein Gefühl sagte das geht auch gerade. Etwas zögerlich aber innerlich völlig unter Strom kletterte ich los. Bisher hatte ich alle Haken freistehend gebohrt und dabei blieb es auch. Das ging gewaltig die Wadenmuskeln. Beim Bohren des 2.BH brach mir der Bohrer ab. Ich stand kurz vor dem Wadenkrampf als ich aus der Kletterstellung den Bohrerest in die Tasche gesteckt sowie den Ersatzbohrer installiert hatte. Leider musste ich ein neues Loch beginnen für den Fall, dass noch Teile das alten Bohrers im Loch steckten. Wir mussten es vermeiden unseren 3. und letzten kurzen Bohrer abzubrechendes. Noch 2BH blieb es ungewiß ob die glatte Wandzone überwunden werden kann, dann wurden die Strukturen besser. Juhu!! Dies war bisher ohne Zweifel die Crux und der Blick nach oben zeigte leichteres Gelände.


Der Blick zurück beim Abseilen.

Micha zum Begin der 8. Sl.

Noch mal die 6. Sl diesmal bom Stand fotografiert.


 Nach der 8. Sl machten wir gegen 20:00 Uhr für den 1.Tag Schluß und seilten an unseren mitgebrachten Seilen ins Tal. Den Haulbag, das Rollbrett und den Großteil der Ausrüstung ließen wir oben in der Wand hängen. Zum Glück dachten wir an den Autoschlüssel, was uns sonst  einen anstrengenden Aufstieg mit den Steigklemmen beschert hätte.


Auf dem Weg zum Auto warfen wir einen Blick zurück und staunten nich schlecht, als wir feststellten, das unser Rucksack keine 100m vom Ausstieg entfernt hing. Hätten wir das oben gewusst hätten wir die 2Sl auch gleich noch bohren können. Dafür war es jetzt aber zu spät Für den Folgetag bedeutete dies noch einmal harte Arbeit. Zudem wollten wir versuchen nach dem Abschluß der Bohrarbeit auch noch alle Längen im Rotpunktstil durchzusteigen. Dann könnten wir an den Regentagen in ein anderes Gebiet fahren um etwas Neues zu sehen. 

Es gibt auch schöne Boulder am Hægefjell aber erst wenn im August die Mücken gestorben sind geht die Saison los.






Auf dem Parkplatz fragten wir einen Norweger nach dem Wetter für den Folgetag. Er sagte: "Regen in der Nacht und bis 9:00 Uhr dazu Wind." Die Tatsache mir dem Wind betonte er merkwürdig, so das ich nicht wusste weshalb, es ging doch auch heute eine leichte Briese. Wir sollten noch erfahren was genau er meinte.


Nachdem uns die kleinen schwarzen Beißfliegen beim Abendessen fast aufgefrassen blieb uns nichts anderes übrig als beim Essen herumzulaufen. Das machten die Norweger auch so und es half. 


Beim Frühstück gab es dieses Problem nicht, denn es war richtig windig. Wir packten noch die Abseilringe für die Standplätze sowie ein paar Bohrhaken ein und es ging zurück in die Wand. Ziel war es heute alle Längen RP zu klettern und die letzten beiden Seillängen zu bohren. Da wir alles wichtige oben gelassen hatte, konnten wir nicht von unten anfangen um dann oben weiter zu bohren. So schlug Micha vor "An den Seilen aufzusteigen, oben fertig zu bohren und beim Abseilen die Längen durchzusteigen." Das war der Plan.

Je höher wir kamen um so stürmiger wurde es. Die einzelnen Böen waren orkanartig. Die Seile hingen fast wagerecht. An diesem Tag war das Klettern nicht das Problem, sondern sich nicht vom Wind aus der Wand wehen zu lassen.Zudem kühlte der Körper trotz der 10-15°C sehr schnell aus. Bis ich mir die Regenjacke als Windbreaker anzog, frohr ich erbärmlich.Wir kämpften uns weiter und fanden leicht rechtshaltend eine Lösung aus der steilen Wandzone herraus. Die Felsqualität blieb auch hier einfach ein Traum.



Mittag zum Aufwärmen auf dem Ausstiegsband.

Nachddem am Vortag T-Shirt-Wetter war gab es am 2. Tag das volle Program an Anziehsachen und es war immer noch kalt.

Leider stecken die ersten 4 Haken der 9. SL mal nicht in gerader Linie da die Wegführung ungewiß war. Das läßt sich aber mit langen Exen beheben

Beim Bohren der 9.Sl. Nicht nur die Seile auch der Bohrstaub war in der Wagerechten.


 Gegen 12:00 Uhr war die Route fertig gebohrt. Bei der Mittagspause auf dem windgeschützen Grassband am Ausstieg wurde mir dank Daunenjacke endlich wieder warm. Anschließend seilten wir über unsere Neutour ab und kletterten allen längen RP. Das machte abgesehen von dem Sturm und der ungewohnten Reihenfolge richtig Spaß. Am Ende des Tages fühlten wir uns wie Ballettänzer auf einer Naturbühne aus Granit. Unser kleines Kunsstück war nach 2 Tagen vollbracht und wir waren stolz auf unser Werk. Mit 10 Standplätzen, einem Abseilstand in der 8.Sl sowie 55 Zwischenhaken auf 450m ist die Route ausreichend gesichert. Es sind jedoch Friends zwingend erforderlich. In leichten Passagen sind die Abstände etwas größer.

Mehr dazu im Topo.



Da sowohl die Linie als auch die Felsqualität der Hammer waren wurde dies auch zum Routennamen.

Um das ganze nordisch zu verpacken und weil meine Frau ein Fan des Gottes Thor ist, nannten wir die Route "Mjöllnir" nach Thor's Hammer.


Die folgenden 4 Tage in denen es immer wieder ausgiebig regnete genossen wir den Familienurlaub und Gefühl wieder ein Kapitel beendet zu haben.




 

Mittwoch, 21. Mai 2025

Neutour in Verdon, Mingus

Dier Verdonschlucht, einer der größten Canyons in Europa



Wir dachten das schwerste liegt bereits hinter uns. Die Haut schmerzte höllisch und die Züge wollen nicht gelingen. Die Unterarme sind schon im roten Bereich. Noch diese eine Seillänge und die Wand legt sich endlich zurück. Am Morgen war die Reibung darüber vom Regen der Nacht noch nass, aber das sollte langsam abgetrocknet sein. Der 3. Tag harter Arbeit neigte sich dem Ende und heute sollte der Tag der Ernte sein. So dachten wir... bis sich die Schleusen des Himmel öffneten. Als es nach 20 Minute auch noch anfing zu Hageln löste sich ein Schrei der Frustration aus meiner Kehle. Ich konnte es einfach nicht fassen.


Jetz mal von Vorne.
Stephan Isensee und ich hatten endlich mal wieder Zeit gefunden gemeinsam Zeit in der Wand zu verbringen.
Das Ziel war im Verdon eine neue Route einzubohren, Durchzusteigen und dann noch so viel wie möglich andere routen Klettern um die Einstufung deer Route vor Ort zu vergleichen. 

Die Anreise



Das war der Plan, leider hatten wir diesen ohne das Wetter gemacht. Als wir Nachmittags im Verdon ankamen, waren wir wie gerädert von der langen Fahrt und übernächtigt von der kurzen Nacht. Auch sahen die vielen Sinterrouten auf der anderen Talseite nasser aus als ich es je erlebt hatte. Dennoch wollten wir eine Plattenroute zum Einklettern machen bevor wir mit Bohren anfingen. Und heute war einer der wenigen Tage ohne Regen in der Vorhersage. Also Abseilen und los, so war der Plan. Leider ist das finden der Route von oben nicht immer leicht. Als wir endlich unsere abgelegene Route gefunde hatten gab es nur noch diesen einen Weg aus dieser Wand nach oben. Ins Tal Abseilen war wegen der fehlenden Abseilpiste und den Überhängen unter uns keine Option. Wenig später wünschten wir uns einen Überhang über uns, denn es fing an zu regnen. So durften wir 5 nasse Plattenlängen nach oben klettern um der Wand zu entfliehen. Kein guter Start aber wir lernten das nasser Kalk immerhin noch etwas Reibung besitz.
Beim Abseilen zur Warmkletteroute. Ab jetzt gibt es keinen anderen Weg mehr nach oben außer die gewählte Route.

Die erste Länge hielt das Wetter noch, dann war Schwimmen nach oben angesagt.

Neutour in L'Estellier

Am nächsten Tag ging es bereits ans Bohren. Fast 4 Längen schafften wir am 1. Tag den Rest der Route bohrten wir am nächsten Tag ein. Entweder früh oder abends regnete es aber irgendwie ging das schon, besonders in den steilen Längen. Zum Glück waren die wichtigen Griffe trocken, mehr kann man sich nicht wünschen. Vom Klettern und Bohren völlig erschöpft freuten wir uns auf den ersten Ruhetag. Wir konnte alle Einzelzüge der Erstbegehung klettern, wenn auch nur gerade so. Dennoch waren wir erst mal froh, dass es gerade genug Griffe gab um die gesamte 220 m Wand von oben bis unten zu Klettern. Die Linie hatte ich im Jahr zuvor gefunden und sie verläuft parallel zu "Arbre magique de rêve" 8a+ (Traumzauberbaum) einer Route die Chris-Jan und ich 2022 im Sektor erstbegangen hatten.


Ganz schön nass die Wand, besonders unter den Überhängen
Die geplante Kletterlinie. Die Stände und ob es komplett frei geht war noch ungewiss.


Die Wand ist so steil das Abseilen ohne Haken nur schwer möglich ist. Der Abstieg zu Fuß dauert jedoch 45 Minuten deswegen seilten wir von oben rein. 


Loup e(s)t ici 220m, 7Sl (7b, 6c+,8a, 8a+, 7c, 6b, 6b+)

Heute war der Tag der Ernte also des geplanten Durchstieges. Da es am Vorabend geregnet hatte waren die oberen 2 Seillängen und die Fixseile nass, aber das würde sich bis zum Nachmittag sicher noch ändern. Nur das Abseilen zum Einstieg war an den nassen Seilen sehr sehr unangenehm.

Die 1. Sl (7b, 40m, 14 BH) war leidlich trocken aber es zeigte sich schnell, wie die erste Länge zu diesen tollen Tropflöchern in der grauen glatten Plagekommen ist. Genau an den Stellen wo die Tropflöcher die glatte und graue Platte kletterbar machten tropftes es regelmäßig aus dem Überhang. Dies machte diese Länge im Durchstieg recht anspruchsvoll. Zudem kamen wir beide zu einem heftigen Kaltpump gleich am Morgen.

Die 1. Sl von oben gesehen, tolle Tropflochkletterei und einen kleinen Boulder am Ende.

Wenn die Wberhänge oben nass sind, weiß man wie die Tropflöcher unten entstanden sind.



Die 2. Sl (6c+, 40m, 11BH) ist die leichteste im unteren Teil. Bis auf eine schwere Stelle am 4.BH ist es ein angenehmes Steigen zu einem bequemen Standplatz auf einem Band.
Die 2.Sl ist erstaulich gängig und sauber für die Neigung.




Die 3. Sl (8a, 20m, 10BH) ist der Anfang der Crux und schlängelt sich durch die Schwachstellen des Überhanges. Hier war das finden einer kletterbaren Linie anfänglich das größte Problem. Über dem 4. BH gibt es eine Untergriffrippe die man nur am rechten oberen Ende greifen sollte!

Nach einem kleinen Querband wird es mit jedem Zug schwerer. Das Ganze gipfelt in der Schlüsselstelle. Von einer Leiste mit rechts zieht man weit links hoch zu einer schlechten Zange. Mit schlechten Tritten muss der rechte Fuß auf die Leiste wo gerade eben noch die rechte Hand war. Von dort schnappt man 1,4 m nach oben auf eine Leiste am Ende des Sinters. Beim Einbohren glückte der Zug bei 10 Versuchen nur 2 oder 3 mal. Besonders das Aufhocken mit rechts war immer irgendwie anders. Nach erneutem Ausbouldern fand ich ein paar kleine Details welche die Erfolgsquote auf 5 von 10 Versuchen erhöhte. Das reichte aus um im Durchstieg gerade so hängen zu bleiben. So kletterte ich zufrieden aber etwas keuchend zum nächsten Stand. Zum Gück wächst hier ein Baum aus der Wand so das man zum stehen kommt. 

Zwei Bohrer gingen bei dem Projekt in die ewigen Jagdgründe ein. Das blöde daran war alle beide in einem Loch. Wenn also mal der Bohrer kaput geht am besten ein neues Loch bog´hren sonst gibt es zwei stumpfe Bohrer.



Die 4. Sl (8a+, 25m, 8BH)
Der Wetterbericht war für den Folgetag wieder schlecht angesagt. Wenn wir nicht heute durchsteigen gab es vielleicht keine weitere Gelegenheit, oder wir mussten den ganzen Urlaub ausschließlich mit der Neutour verbringen. Kein Wunder das der Druck am heutigen Tag sehr groß war. Dank des Baumes zu unseren Füßen war es kein Hängestand. Um zu vermeiden, dass der Vorsteiger auf den Baum stürzt ist der erste Haken so gebohrt das man ihn vom Standplatz aus vorclippen kann. Die ersten Meter im Linksbogen sind etwas trickreich aber erst ab dem 3. BH wird es schwer. Weite Züge an Seit- und Untergriffen die es schwer machen lange genug innezuhalten um das Seil in die Expresschlinge einzuhängen. Zum Ende der Sl wird es zum Glück wieder leichter. Die Länge endet an einem Stand der etwas unbequemer ist als alle anderen. Erst im 3. Versuch glückte der Durchstieg weshalb ich eine Grad schwerer Vorschlug als die vorhergehende Länge.



Die 2. Cruxlänge sind atletische Züge zu einem Dach und darüber hinweg.




5.Sl (7c, 25m, 9BH)
Issy boulderte die Länge als erstes durch. Als ich an der Reihe war fing es, wie am Anfang des Post beschrieben, plötzlich an zu schütten. Resigniert kehrte ich zum Stand zurück. Die Hoffnung die Neutour an diesem Tag noch beenden zu können löste zerbröckelte langsam, als es nach einer kurzen Regenpause anfing zu hageln.
Wir nutzten die Zeit um in der vorhergehenden Länge einen nachträglichen Haken zu setzen und ein paar Riegel zu Essen. Eigentlich nur, weil wir nicht nass werden wollten warteten wir länger als nötig am Stand.
Als ich nach ca. 1h noch einmal in die Länge einstieg, waren die Griffe erstaunlicherweise trocken genug um sie zu Klettern und durchzusteigen. Juhu wir waren also weiterhin auf der Zielgraden. Wie der Fels so schnell trocknen konnte ist mir zwar ein Rätsel aber wahrscheinlich gab es in der Schlucht eine leichte kaum spührbare Luftbewegung die den Fels so schnell abtrocknen lässt.
 

Auch bei der 5. Sl war uns das Glück hold und es gab genug Griffe um durch die Wand Klettern zu können. Bei dere Neigung ist das in Verdon nicht selbstverständlich, da gibt es auch vollig glatte Wandzonen.



6.Sl (6b, 30m, 10BH)
Von einem guten Band geht es über verschiedene steile Wandstücken nach oben. Der Fels um die ersten 3 BH war zwar klatschnass, aber zum Glück war es rau genug um auch bei den Bedingungen kletterbar zu sein. Zum Glück, denn so gibt es vielleicht doch noch ein Happy End.

7.Sl (6b+, 30m, 7BH)
Steil genug, dass etwas Regen nicht störte. Anfangs etwas reibig in der Mitte steil und oben senkrecht. Ein schöner Abschluß mit gutem Fels.

Der Ausstieg, Der Anfang und das Ende unserer Neutour.


Vom Ausstieg  (N 43° 44.527', E 006° 20.316) sind es weniger als 5 Minuten zu einer Parkbucht flußabwärts.
So war nach 3 Tagen in der Wand die Geschichte unserer Neutour zu Ende.


Noch etwas zum Namen "Loup e(s)t ici". Da die Franzosen Freunde von Wortspielen sind hatte Stephan Aka Issy die Idee zu einem Wortspiel mit unseren Namen. So kann es zum einen heißen "Der Wolf ist hier" zum anderen vom Klang her auch "Der Wolf & Issy"

Bevor wir uns bei den Schwierigkeigsgraden festlegen wollten mussten wir noch mindestens eine Referenzroute für die Einstufung Klettern die ja in jedem Gebiet etwas anders ist.


Topo Louo e(s)t Ici 8a+,

Juhu Fertig! und alle Seile abgebaut. Zum Glück ist es nicht weit bis zum Auto.

Morgens trügerisch schönes Wetter aber gut zum Seile trocknen.

Und endlich mal frisches Baguet und Lavendelhonig aus "Trigance" zum Frühstück in der Sonne.

Mingus 8a (12 Sl, 300m) 

Das Wetter blieb durchwachsen und wir benötigten erst mal 1-2 Tage Ruhe. Zum einen um uns von den Strapazen der Erstbegehung zu erholen als auch um wieder etwas Haut auf unseren Fingern wachsen zu lassen. Leider ist das Klettern von nassen Seillängen sehr hautintensiv. 

Der Morgen graut und es geht endlich los, ein bischen aufgeregt waren wir schon vorher. Imterhin ist die Mingus alles andere als eine Plasirroute.


Der frühe Vogel fängt den Wurm



Ab hier geht es richtig los. Wenn man in der Mingus gelben Fels sieht fühlt man sich wie in den Dolomiten


Uns blieben noch 2 Klettertage im Verdon und nur einer war nach Wetterbericht niederschlagsfrei. So überlegten wir, was als Ziele in Frage kommen könnte. Ich war für schattige oder kürzere Ziele, Issy war Feuer und Flamme für die Mingus einer der längsten Routen im Verdon. Mingus interessierte mich auch, aber die vielen schweren Plattenlängen sollte man bei kühlem Wetter und idealerweise bewölktem Wetter angehen. Leider waren 20 °C und den ganzen Tag Sonne angesagt. Die Südseite in der Verdonschlucht heizt sich in der Sonne so stark auf das man selbst im Winter bei windstille im T-Shirt klettern könnte.
Naja, wir stiegen gegen jede Logik ein obwohl es hieß das die Schlüssellänge sehr kühle Bedingungen und gute Haut benötigen würde. Als Plan B hatten wir das Portaledge dabei um uns notfalls vor der Sonne verstecken zu können. 


Da das Abseilen länger dauerte als gedacht stiegen wir erst 7:30 Uhr am Wandfuß ein. Die Felsqualität wechselte immer wieder von brüchig bzw. gelb zu bombenfest bzw. grau. Bereits die 3. SL war die Crux aber es war trozdem schon recht warm. Ich gab zwar einen on sight Versuch, scheiterte aber an der ersten Boulderstelle wo man am Ende einer Untergriffhangel mit kleinen Griffen und winzigen Tritten über ein kleines Dach Klettern muss. Danach folgen die abgefahrensten Strukturen die ich im Kalk gesehen habe. Kleine Leisten so scharf und auch so dick wie Rasierklingen stehen wenige Millimeter schräg aus der Wand und man muss sich daran festhalten. Da die Tritte ebenso winzig aber nicht so großflächig sind und die Strukturen immer wieder von Querstegen unterbrochen sind ist extrem viel Last auf den Fingern. Bei der Wärme lösten sich meine Fingerspitzen bei wenigen versuchen langsam aber sicher auf. Auch die Füße schmerzten höllisch in den guten Schuhen doch diese waren zwingend erforderlich. Zum Glück konnte ich im 2. Versuch durchsteigen, denn bei den Bedingungen machte es wenig Spaß. Jetzt könnte man meinen, die Route sei in der Tasche. Weit gefehlt, denn es folgten noch weitere 9 Seillängen. Nur eine war 6c diese hatte auf 40m nur 6 Bohrhaken und war noch dazu recht brüchig. Der Rest waren französische 7er- Längen und 5 davon waren 7b+. Also ging der Kampf jetzt erst richtig los. Je höher wir kamen umso mehr schmerzten die Füße und die Finger doch wir machten weiter.

 

Bei der 40m langen Cruxlänge geht es schnell heftig zur Sache und der Fels ist ab dem 5. BH so scharf das man sehr gute Haut und enge Schuhe benötigt.
Nach der Crux heißt es jede Länge dranbleiben. Hier in der 8. Sl mal was anderes als Tropflöcher.
Die 9. Sl wird ausnamsweise mal nach öben leichter.

Vor der 10. Sl empfängt einen der bequemste Stand der ganzen Route. Zwischen 2 großen Löchern kann man sich fast Seilfrei bewegen.
Die 10. Sl ist technisch und unübersichtlich. Umso mehr freute ich mich trotz schwindender Kraft über das On Sight.





Juhu, endlich oben. Hut ab vor jedem der  die Mingus geschafft hat.



Für Aspiranten der Mingus sei ein Sitzbrett empfohlen, denn die meisten Stände sind sehr ungequem.

Wir waren froh das die Route erst kürzlich saniert wurde und die fast 40 Jahre alten 8mm Bohrhaken durch 12mm BH ersetzt worden waren. Deswegen ist die Route noch immer abenteuerlich (7a+ obligatorisch) aber entspricht jetzt eher dem Zustand nach der Erstbegehung als mit den Rostgurken.
Bemerkenswert ist das die erste RP der Route 1994 von Lynn Hill in einer on sight Begehung erfolgte als sie für die Eintages-Begehung der Nose trainierte. Eine unvorstellbare Leistung.

12h nachdem wir eingestiegen waren standen wir wieder glücklich und geschafft am Ausstieg und auf dem Zahnfleich kriechend habe ich auch noch die letzte 7B+ im on sight geschafft. So ging die ganze Route im o.s. bzw flash bis auf die Crux welche ich im 2.Versuch klettern konnte. Wir waren mit dieser Leistung zufrieden und unsere Füße wollten die nächsten 36h keine Kletterschuhe mehr sehen.

So nahmen wir am nächsten Morgen Abschied vom Verdon, aber wir kommen wieder.

Nachdem uns so viele Geier in der Wand begleitet hatten in der Hoffnung das wir ihr Abendessen werden, wollten wir zum Spaß sehen ob sie unsere Salami richen konnten.

Leider hatten die Geier schon Feierabend und kamen erst am nächsten Tag. Oder sie bekommen so spät am Abend keine Starterlaubnis mehr.



 

Bis zum nächsten Mal in Verdon