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Donnerstag, 30. Mai 2013

El Corazon

Original Topo von El Corazon
der Ruhetag war viel zu kurz und die Haut war noch empfindlich beim hantieren mit Seilen. Doch es half alles nichts, die Zeit war so beschränkt und kostbar, dass man sie nicht mit Ruhetagen verschwenden konnte. So ging es am eigentlichen Ruhetag zu den Fixseilen um mit Haulbag und Essen und Wasser für 5 Tage zu unserem vorher gekletterten Ende vom Freeblast hoch zu jümaren. Eigentlich schon komisch, einen Tag zuvor schleppten wir uns noch total geschafft und hungrig vom Middle Cathedral Rock zurück ins Camp 4 und heute, noch Müde von der letzten Route, geht es schon wieder los. Das woran man diese Müdigkeit am meisten spürte, waren die stärkeren Zweifel ob man der Route überhaupt gewachsen war. Der Ruf von El Corazon ist nicht gerade der einer Sportkletterroute. In dieser Route werden beim Technoklettern häufig verwendete Birdbeaks als Zwischensicherung verwendet. Das eine mal in der „Beak Flake“ 5.13b wo ein Dynamo angeblich nur so abgesichert werden kann und das andere mal bei „Bobby's Bunny Slope“ einer 5.12c Reibung wo dieser die einzige Sicherung darstellte. Dazu kam noch das ich massive Respekt oder besser gesagt Angst vor der „Roof Traverse“ 5.13b hatte, da ich sie schon auf Fotos sowie live aus der Nachbarroute gesehen hatte. Die Zweifel waren also da. Es war einerseits die begründete Angst vor dem Unbekannten andererseits ob man das richtige Material dabei hatt. Uns wurde mehrfach nahegelegt, das wir ein paar Normalhaken, Birdbeaks und einen Hammer mitnehmen sollten. Aus Gewichtsgründen entschied ich mich dagegen. Mit all diesen Gedanken stieg ich an den Fixseilen nach oben. Issy hatte mir angeboten, das er an den Fixseilen das Haulen, also das ziehen des Haulbags mit Portaledge übernehmen würde. Wenn er vorsichtig ist, meint er, dann geht das mit dem Ellenbogen schon und es wäre die einzige Möglichkeit mir etwas Arbeit abzunehmen.

Issy beim Haulen am "Ruhetag"
  Die nächsten Tage geht dies nicht, denn wenn ihm der Ellebogen schmerzt muß er jederzeit loslasen können und das geht im Vorstieg natürlich nicht. So ging es nach einer Nacht auf den „Mammoth Terraces“ los und wir fanden den Weg nicht richtig. Das Topo war an dieser Stelle falsch. Nach 30 Minunten suchen hatten wir Erfolg. Die ersten 4 Längen waren nicht schwer, aber es dauerte dennoch den halben Tag bis wir an der ersten Crux der „Beak Flake“ waren. Auch hier war das Topo falsch aber diesmal zu unserem Glück. Etlicher Wiederholer berichteten, das anstelle eines Birdbeaks einige Rivets geklippt wurden um die Sicherung zu verbessern. Auf dem Pfeiler wo man eigentlich rechts absteigen sollte angekommen, stellte ich fest das die logische Linie gerade hoch ist wo man genau in die „Beak Flake“ gelangt. An dieser Stelle die von der Technoroute Albatross geklettert wird war ein Bohrhaken und es sah noch dazu besser aus. Wenn diese Linie jetzt noch frei zu klettern geht dann wäre alles super. So kam es und es gelang. Zwar mußte das Seil für den Rotpunktdurchstieg noch mal abgezogen werden, aber diese erste Hürde war somit für mich genommen. Issy fiel leider in der Durchstiegscrux der Länge, wollte seinem Arm jedoch keinen weiteren Versuch zumuten. Wichtig war ihm die freie Begehung also ohne Kletterzüge auszulassen. Uns trennte nur noch die „Beam Flake“ einer anstrengenden 5.11a Hangel von unserem Tagesziel. Der Stand war zwar ok mit einem kleinen Band daneben, aber der einzige Aufhängepunkt welcher von der Höhe und Wandstruktur geeignet war um das Portaledge aufzuhängen war ein Rivett. Dies ist im Grunde eine Maschinenschraube die in die Wand gedroschen ist und man hängt das Stahlkabel eines Klemmkeils darüber um diese als Sicherungspunkt zu nutzen. Solange die Belastung nach unten kommt vollkommen ausreichend halt nur etwas gruselig. So verlief die Nacht recht ruhig, nur Issy schaute häufig besorgt zum Rivett hoch.

Unsere erste Nacht an einem Rivet.

Der kommende 2. Tag war vorn vornherein der Tag mit den meisten Unbekannten bzw. unsicheren Längen, denn es waren die berüchtigten Reibungsquergänge mit den Birdbeaks. Wir planten deshalb nur 3 Längen für den Tag um den Beginn des markanten Verschneidungssystems zu erreichen. Der Morgen fing schon mal schön an. Brüchiger Fels mit mäßig guter sicherung vom Stand weg. Die Länge querte und der Haulbag mußte umständlich seitlich herausgelassen werden. Es folgte eine 12d die mit Birdbeaks recht gut gesichert war und zum glück guten Fels aufwies. Die Schwierigkeit war moderat, bis kurz vor dem Ende der Verschneidung die Strukturen aufhörten. Eigentlich sollte es an einem Normalhaken links auf die Wand queren, aber der Haken war nicht da. Im einzigen guten Griff brachte ich einen Friend unter. Was folgte war ein Boulder nach links mit einem sehr weiten Zug ohne Tritte. Nach längerem Bouldern gelang dieser wie auch im Durchstieg. Zum glück war Issy etwas Länger, denn die Sicherung im Nachstieg war nach aushängen des Friends nicht so optimal. Das wäre ein Grund einen Hammer und einen langen Knifeblade bzw. einen 3mm Lost Arrow für den Nachsteiger mitzunehmen. Nun standen wir vor der berüchtigten Reibungslänge „Bobby's Bunny Sloppe“ Ein paar Kekse aus unserem Haulback und Issys gutes zureden und es ging los. Die Crux folgte kurz nach dem Stand und dann ging es leicht um die Ecke und Hoch. Was folgte waren ein Birdbeak am Beginn eines Reibungsquerganges zum nächsten Stand hin. Die Sicherung ließ sich mit einem Mikrokeil und mit einem Metolius Mastercam (#0) rechts in einer Rißspur so ergänzen, dass man meint die Sicherung könnte einen Sturz halten...
Bobby's Bunny Slope die ersten Meter.

Issy in Bobby's Bunny Slope.
 Nur ging es 30min vor und zurück, denn die Reibung war schwer zu lesen und die Tritte glatt. Als es endlich gelang war die Erleichterung groß und wir freuten uns die Verschneidung noch etwas hochklettern zu können um den nächsten Tag zu verkürzen. Doch wie immer wenn es schnell gehen sollte gelang dies nicht, und der Haulback verhängte sich auch noch. So schafften wir noch 3 Längen bis zum Dunkel werden welche breite Hangeln mit #6 Camelot und sogar einen mäßig schweren 12b Offwith beinhaltete. Der „Kierkegaard Chimeney“ sieht zwar beeindruckend aus, aber mit einem #5 und einem #6 Camelot sowie mehreren #2 und #1 läßt er sich gut absichern. Als es anfing dunkel zu werden hatte wir allerdings das Problem, das keiner der Standplätze für ein Portaledge geeignet war. Die Bohrhaken waren alle zu nahe an der Verschneidung und so mussten wir 2 Längen abseilen denn die ersten beiden Stände im Verschneidungssystem waren geeignet. Das Seil Ließen wir hängen um am folgenden Morgen mittels Jümaren wieder aufzusteigen.
Die Erste Verschneidungslänge luftig und schön.

Unser Biwak am Fuße der Verschneidungen.
 Der Biwakplatz war echt schön und die Verschneidung schützte vor dem kalten Wind. Beim aufstehen am folgenden Morgen war es kühler als sonst. Das Thermometer zeigte weniger als 5 Grad an. Da war Jümaren zum Aufwärmen sehr angenehm. Für den 3. Tag stand die „Coffee Corner“ und mit der „Roof Traverse“ die Crux der Route an. Für die letztere plante ich den halben Tag denn das ausbouldern der 5.13b und der Durchstieg würde sicherlich dauern. Deshalb klingelte der Wecker auch schon um 6 Uhr. Die kommenden Verschneidungen waren geniale Handrisse und etwas Kamin. Wir gelangten schnell zur „Coffee Corner und wenn man diese halb als Kamin klettert und dann mit dem Gesicht nach außen spreizt ging es ganz gut. Gegen 14 Uhr waren wir unter dem Dach und auch Issy freute sich die 20m lange „Coffee Corner“ durchzusteigen.
Die schönen Handriße unter Coffe Corner

Coffe Corner, mit der Spreize als Lösung.
  Nun hingen wir unter dem Dach. Es war ein besch... Hängestand und der Wind frischte wie immer auf wenn die Sonne in die Wand kommt. Nur leider hatten wir nichts von der Sonne, denn anfangs blockierte die Verschneidung ihre wärmenden Strahlen und später am Stand darüber das Dach. Das einzige was ich für Issy machen konnte war den Haulbag so in die Verschneidung am Stand zu hängen das er mit den Füßen darauf stehen konnte. Was folgte dauerte lange und war extrem anstrengend. Das Ausbouldern dauerte scheinbar ewig und als ich am „Tower of the People“, unserem erklärten Tagesziel ankam, war ich fix und fertig. Ich saß angenehm in der Sonne und wußte ich mußte wieder zurück in den Schatten und die Kälte des Daches um durchzusteigen. Allerdings fühlte ich mich nicht im mindesten dazu in der Lage. Was sollte ich machen? Es gab die Option für heute schluß zu machen und es morgen erneut zu versuchen. Allerdings wäre dann der Haulbag bereits am „Tower of the People“ und der Stand wäre für Issy noch unbequemer. Außerdem würde das einen weiteren Tag in der Wand bedeuten. Wir hatten zwar noch Essen als Reserve aber es so grundlos vergeuden wäre sinnlos. Es war jetzt 17 Uhr und das heißt nach einer Stunde Pause noch Zeit für 2-3 Durchstiegsversuche. So seilte ich herüber und jümarte zu Issy hoch. Für die Stunde Pause hängten wir uns etwas unter das Dach in die Sonne und die Eiszapfen am Issy begannen zu tauen. Da Issys Finger schon Blasen aufwiesen verzichtete er darauf in meiner Pause die Züge zu probieren.

Die Roof Traverse, eine der anstrengensten 8a die ich je geklettert habe.

Eine Stunde und einige Müsliriegel später ging es wieder unter das Dach in den Schatten. Das jümarn fiel mir mit den müden Armen schwer und ich hatte dieses komische Gefühl im Bauch welches man immer vor Seillängen hat die man eher nicht noch einmal klettern möchte. Es half alles nichts ich musste es versuchen. Noch ziemlich steif vom langen hängen im Gurt ging es mit schmerzenden Armen und kalten Fingern los. Die ersten schweren stellen glückten und ich ignorierte das knirschen unter den Füßen. Vom vielen Pressen und hakeln mit dem Fuß krampfte mein Schienenbein, aber es ging weiter. Ehe ich mich versah, war ich wenige Züge vor einem schlechten Schüttelpunkt wenn ich diesen erreichen konnte hatte ich eine Chance. Ich kämpfte mich pressenderweise zu diesem durch und schöpfte etwas Hoffnung. So quälte ich mich weiter durch das Dach und am Ende wäre ich beinahe noch einmal weggerutscht weil ich kaum noch Kraftreserven hatten. Jedenfalls gelang der Durchstieg im 2. Versuch, wie genau kann ich auch nicht sagen ich war viel zu geschafft. Wahrscheinlich hat zu viel Laktat im Blutkreislauf einen negativen Einfluss auf das Gedächtnis. Damit war das Tagesziel erreicht und das nicht zu zeitig.
Issy unter dem Dach in der letzten Sonne des Tages.
  Ehe Issy und der Haulbag bei mir waren, war es schon fast dunkel, denn das Seil verklemmte sich noch im Dach.

Issy in der Abschußhangel der Rooftraverse.

Der Biwakplatz war ausgezeichnet und die Seillängen die folgten kannte ich zum Zeil noch von Golden Gate. Dennoch war die Nacht alles andere als erholsam. Ich war so geschafft, dass ich kaum Schlaf bekam. Ich wachte viel zu oft mit Krämpfen und schmerzenden Fingerkuppen auf und es drängte sich mir die Frage auf ob ich die zwei 5.13er Längen ohne Ruhetag noch Durchsteigen kann.
So sieht ein gemütlicher Biwakplatz aus am Tower of the People.
 Am Morgen ging es etwas besser, doch gut war es nicht gerade. Ich boulderte die Längen kraftsparend aus und konnte sie gerade so durchsteigen. Allerdings war das Wetter irgendwie komisch. Die Schleierwolken wurden immer dichter und schließlich kamen dicke schwarze Wolken. Die Seilschaften die wir unter uns in anderen Routen gesehen hatten seillte alle ab. Wussten diese etwas was wir nicht wussten. Zog etwa ein Sturm auf? Leider hatten wir so keinen Empfang um uns den Wetterbericht sagen zu lassen also machten wir weiter. Im Zweifelsfall hatten wir das Rainfly vom Portaledge um einen Sturm trocken zu überstehen. Das ganze machte es nicht gerade leichter für mich.
Issy in Golden Dessert 5.13a
  Der zusätzliche Stress und die Erschöpfung machten sich bemerkbar, als ich bei einer 5.12a die Einzelzüge nicht mehr brachte. Erst als ich den Großteil der Friends vom Gurt abmachte und bei Issy ließ gelang der Durchstieg. Die großen Friends zog ich später am Materialseil hoch zu mir, denn ich brauchte sie zum Stand bauen.
Ich in der A5 Traverse. Das ich diese Länge vor 3 Jahren geflsht habe war in meinem Zustand gerade unvorstellbar.
  Der Stand war nicht besonders bequem und für ein Portaledge nicht geeignet. Es fehlten noch 3 Längen bis hoch. Es wurde immer dunkler doch wir machten weiter. In der Mitte einer glatten 5.12er Hangelverschneidung fing es mit Regnen an. Ich hatte meine Zweifel ob es die richtige Entscheidung war, doch ich machte weiter. Issy schickte mehrere Stoßgebete gen Himmel, denn die Absicherung war nicht gerade rosig. Zum Glück blieb es bei dem Nieselregen und wir schafften es bis hoch. Es hatte sich spürbar abgekühlt und die Luft roch nach Schnee. Wir waren oben.
Glücklich alles RP geklettert zu haben freuten wir uns kurz bevor wir weiter hetzten. Was wir jetzt brauchten war nur noch ein Baum wo wir das Portaledge mit Rainfly aufhängen konnten und das wenn es geht bevor es anfängt zu regnen. Wir schafften es und blieben somit trocken. Der Sturm ließ sich ausreichend zeit und tobte über Nacht durch das Valley. Im Nachhinein erfuhren wir, das der Sturm viel schlimmer angesagt war und deshalb alle Seilschaften abgeseilt sind.
Unsere bleibe für die stürmische Nacht auf dem El Cap
 Für uns endete El Corazon nach einer fast schlaflosen und unruhigen Nacht mit dem Abstieg am Folgetag. Es war zwar ein Erfolg aber wir fühlten uns nicht gerade so. Doch echten Erfolg muss man sich erkämpfen und so wird es wahrscheinlich noch einige Tage dauern bis wir uns richtig freuen können. Issys Zeit im Valley ist damit zu Ende und ich freue mich wieder auf Kerstin und Leopold.

4 Kommentare:

  1. Sehr schön, wirklich sehr schön. Ich freue mich immer, wenn neben den sensiblen Lesern der Muttersprache auch mal der Autor leidet ;-) Ausgleichende Gerechtigkeit über Kontinente hinweg, Wahnsinn. Also vielen Dank für die erheiternden Worte und Glückwunsch zu den doch großen Erfolgen im Valley. Ich bin ja gespannt, was in den letzten Tagen noch so bei euch passieren wird. In diesem Sinne, viele Grüß und bis bald, r

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  2. Hi Ihr Beiden. ganz grosses Kino. Ganz viele Grüße vom Micha

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  3. Hallo Tobias,
    das klingt für uns Nichtkletterer alles wahnsinnig verrückt und wir hoffen, dass du es gut überstehst und heil wieder in Dresden mit Kerstin und Leopold ankommen wirst.
    Hallo Kerstin,
    wir hoffen sehr, dass es Leopold wieder gut geht und die Backenzähne durch sind - oder?
    Ich bin wieder in Berlin und Julia geht wieder in den Kindergarten - es ist aber noch nicht ausgestanden.
    LG
    Mutti

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  4. Hi,

    wie gern wäre ich dabei. Mir bleibt nur das neidische starren in den Bildschirm. Eure Erlebnisse erinnern einen an die Schilderungen aus den Büchern von Robert Steiner.

    Sau geil.Weiter so!

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